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Grundrechte-Report: Bürgerrechtler kritisieren "Sicherheitshysterie"

Staatliche Überwachung, Ungleichbehandlung, Missachtung von höchstrichterlichen Urteilen: Im Grundrechte-Report 2007 erheben mehrere Bürgerrechtsorganisationen schwere Vorwürfe gegen Gesetzgeber und Polizei.

Karlsruhe - In dem Report, den neun deutsche Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen heute in Karlsruhe vorstellten, üben die Verfasser unter anderem Kritik an den novellierten Polizeigesetzen der Länder, die insbesondere den strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Telekommunikationsüberwachung nicht gerecht würden. Auch seien Gefangenen gerichtlich zugesprochene Hafterleichterungen durch die jeweilige Anstaltsleitung verweigert worden.

"Insgesamt beunruhigend"

Der Grundrechte-Report kommt nach Angaben der Autoren zu dem Ergebnis, dass staatliche Überwachung, Übergriffe und Ungleichbehandlung weiter für eine deutliche Kluft zwischen den Ansprüchen des Grundgesetzes und dem tatsächlichen Umgang mit Grundrechten in Deutschland sorgen. Bundesverfassungsrichter a. D. Jürgen Kühling bezeichnete den Befund bei der Vorstellung des Berichts als "insgesamt beunruhigend". Als Beispiel nannte er den staatlichen Umgang mit Ausländern und hier insbesondere illegal eingereisten Migranten. Auch diese hätten Anspruch auf Wahrung ihrer Menschenwürde und staatlichen Schutz ihrer Grund- und Menschenrechte, betonte Kühling.

Zugleich verwies der ehemalige Verfassungsrichter auf eine Reihe "flagranter Rechtsverletzungen" durch die Polizei, darunter Durchsuchungsaktionen, die vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig verworfen worden seien. Es gebe allerdings "auch gute Nachrichten", hob Kühling hervor. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht habe "der Ausweitung von Eingriffsbefugnissen deutliche Grenzen gesetzt" und sei zugleich "einem nachlässigen Umgang der Behörden und Gerichte mit den Grundrechten in zahlreichen Entscheidungen entgegengetreten". Gleiches gelte für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Sicherheitshysterie im Namen des Anti-Terror-Kampfes

Kritik üben die Autoren des Reports an einer im Namen des "Krieges gegen den Terror" geschürte Sicherheitshysterie, in deren Sog unterdessen auch friedliche Globalisierungskritiker geraten seien. So berichtete der Politikwissenschaftler Peter Grottian bei der Vorstellung des Buches, dass ihn der Verfassungsschutz wegen seines Engagements im Berliner Sozialforum ausgespäht habe. Der Politologe sprach in diesem Zusammenhang von Parallelen zur jüngsten Großrazzia gegen Gegner des G-8-Gipfels. "Hier wird aufgrund fadenscheiniger Vermutungen eine Kontaktschuld konstruiert, die dann zur Basis unverhältnismäßiger staatlicher Überwachung herangezogen wird", kritisierte Grottian.

Der Grundrechte-Report erscheint seit 1997 jährlich zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai und greift Beeinträchtigungen von Grund- und Menschenrechten durch staatliche Gewalt auf. Herausgegeben wird das Buch von der Humanistischen Union, der Gustav-Heinemann-Initiative, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, Pro Asyl, dem Republikanischen Anwälte-Verein, der Vereinigung demokratischer Juristen, der Neuen Richtervereinigung und der Internationalen Liga für Menschenrechte. (tso/AFP)

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