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Caritas fürchtet Nachahmereffekte: Lauterbach fordert nach Tod der Kessler-Zwillinge gesetzliche Regelungen für assistierten Suizid
Der Ex-Gesundheitsminister befürwortet den assistierten Suizid, beklagt aber einen fehlenden gesetzlichen Rahmen. Die Caritas warnt derweil vor Nachahmern der Kessler-Zwillinge.
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Der gemeinsame Tod der Kessler-Zwillinge Ellen und Alice hat eine Debatte über das Thema assistierter Suizid ausgelöst. So forderte der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesetzliche Regelungen zur Sterbehilfe.
„Ich bin der Meinung, dass wir beim assistierten Suizid eine gesetzliche Regelung benötigen“, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“. „Die jetzige Situation erlaubt Assistenz beim Suizid, die ethisch nicht vertretbar ist.“
Lauterbach beklagte einen Mangel an Regelungen für den assistierten Suizid. „Heute ist es nicht gesichert, dass Menschen, die diesen Weg gehen, nicht unter psychischen Erkrankungen leiden, die ihre Entscheidungsfähigkeit einschränken“, argumentierte der frühere Bundesminister. „Auch sind kommerzielle Angebote in der Suizidassistenz nicht ausgeschlossen.“
Er selbst sei ein „klarer Befürworter des assistierten Suizids“, sagte Lauterbach. „Aber psychische, uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit und die Abwesenheit aller kommerziellen Interessen müssen sichergestellt sein.“
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte im Radiosender Bayern2 vor dem „Tod aus den Gelben Seiten“. Der assistierte Suizid – nämlich die jederzeit verfügbare und gegen Geld angebotene Dienstleistung – verändere die Gesellschaft grundsätzlich.
Caritas kritisiert Berichterstattung über Kessler-Fall
Der Deutsche Caritasverband befürchtet nach der breiten Berichterstattung über den Tod der Showstars Alice und Ellen Kessler einen Anstieg von Suiziden. „Jedes Mal, wenn bekannte Personen sich das Leben nehmen und darüber breit in der Presse berichtet wird, gibt es einen messbaren Anstieg von Suiziden“, sagte Caritaspräsidentin Eva Welskop-Deffaa.
Sie kritisierte, über die Selbsttötung der Zwillinge sei vielfach sehr positiv und romantisierend berichtet worden. Dabei sei der Wunsch betont worden, „vereint“ zu sterben, um nicht „ins Heim“ zu müssen.
Die Selbsttötung sei vor allem als souveräne Entscheidung starker Frauen beschrieben worden, kritisierte Welskop-Deffaa. „Inwieweit er als Ausdruck von Ausweglosigkeit und Verzweiflung zu werten ist, gegen die das soziale Umfeld hätte etwas tun können, wird kaum gefragt.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das Verbot der Suizidhilfe aufgehoben. Für die Inanspruchnahme von Sterbehilfe formulierte das Gericht eine Reihe von Vorgaben. Eine klare gesetzliche Regelung gibt es aber nicht.
Das Verfassungsgericht stellte es dem Gesetzgeber frei, ein neues Gesetz zu erlassen oder darauf zu verzichten. Zwei Gesetzesinitiativen erhielten im Bundestag keine Mehrheit. Aktuell sind keine neuen Gesetzesvorhaben bekannt. (AFP, KNA, epd)
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