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Politik: CDU-Führungsstreit: Der Mythos von der einigen Union

Das Wort "Machtkampf" ist in der CDU verpönt. Und doch beherrscht der Streit um Einfluss seit Wochen die Union.

Das Wort "Machtkampf" ist in der CDU verpönt. Und doch beherrscht der Streit um Einfluss seit Wochen die Union. Als der CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz jetzt etwas ganz Selbstverständliches formulierte, nämlich, der Inhaber dieser Position gehöre kraft seines Amtes automatisch zum Kreis der Kanzlerkandidaten für 2002, brach ein Sturm der Entrüstung los. Die Furcht geht um, dass der Wettstreit um Führung zwischen Merz und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel die Wahlkämpfe für die Landtagswahlen am 25. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz negativ beeinflussen könnte. Genüsslich schaut die SPD auf den politischen Gegner und überzieht ihn auch noch mit Spott: Die CDU solle sich um einen wirklich populären Kandidaten bemühen - Donald Duck vielleicht, wie Kanzler Gerhard Schröder empfahl.

Einer der Betroffenen, Stuttgarts Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU), schlug am Wochenende Alarm. Die CDU gebe in der Öffentlichkeit ein "verheerendes Bild heilloser Zerstrittenheit" ab. Der Bürger, sprich Wähler, könne das kaum mehr nachvollziehen. In den Archiven muss lange gesucht werden, bis man auf eine so vernichtende Aussage eines CDU-Führungsmitglieds stößt. Unisono behaupten der Fraktionschef und die Parteivorsitzende, über den Kanzlerkandidaten der Union werde erst Anfang 2002 entschieden. Doch das glaubt weder in der CSU noch in der CDU noch jemand.

Die politischen Seismologen in den Parteizentralen in Berlin und München erwarten, dass die christdemokratische Doppelspitze mit letzter Kraft gerade noch den Tag der Landtagswahlen erreichen wird. Dann müsse "Tacheles" geredet werden, wie es am Sonntag ein Politiker aus dem CDU-Machtzentrum formulierte. Früher nannte man so etwas Duell. Spätestens nach der Bundestagswahl 2002 müsse es wieder eine unumstrittene Führungsfigur geben.

Merkel und Merz erscheinen schon lange nicht mehr als Tandem, weil jeder lenken will. Die Fraktion, so Merz am Wochenende, sei als "Kompetenzzentrum" für das operative Geschäft und die Tagespolitik zuständig. Die Bundespartei - und damit Merkel - eher für die langfristigen Konzepte. Mit dieser Art Arbeitsverteilung könne Merkel gar nicht einverstanden sein, weil dies "als Gebrauchsanweisung für schwindenden Einfluss" zu verstehen sei, hieß es in der Führungsetage der Parteizentrale. Verwundert blickt Merz in die Kameras, als frage er sich, wie man seine Einlassungen missverstehen könne. Er habe ein Signal gesetzt, sagen CDU-Granden, aber zur Unzeit.

Die CDU, das ist in der Hauptstadt politisches Allgemeingut, gibt in diesen Tagen kein überzeugendes Bild als führende Oppositionspartei ab. Richtlinien und Sprachregelungen, die vom Präsidium montags beschlossen werden, sind spätestens zwei Wochen danach Makulatur, oder es spricht niemand mehr davon. Beispiel: Glücklich war die Union, zwar keinen Konsens, aber eine Sprachregelung sowie ein Handlungskonzept zum Thema Renten gefunden zu haben, als Generalsekretär Laurenz Meyer fröhlich lächelnd sein Fahndungsplakat mit dem Konterfei des Kanzlers vorstellte.

Zwischen Merkel und Merz schwinde zum Nachteil der Partei das Vertrauen, befürchten Präsidiumsmitglieder. Der Wahlkämpfer Teufel schäumt vor Wut und scheint auch seinen erfolgreichen Weggefährten Kurt Biedenkopf nicht mehr zu verstehen. Der sächsische Ministerpräsident schasste seinen populären Finanzminister Georg Milbradt. Fast wie einst Helmut Kohl, werfen ihm seine parteiinternen Kritiker vor, handele er in eigener Machtvollkommenheit und übersehe die Zeichen der Zeit. Machtkampf in Berlin und Dresden.

Ex-Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble, der auf dem Höhepunkt des Spendenskandals von seinen Ämtern zurück getreten war, ist das Leiden förmlich anzusehen. Er und Merkel, so heißt es, hätten möglicherweise eine bessere Zukunft gehabt.

Um die CDU-Vorsitzende ist es einsamer geworden. In Partei und Fraktion verfügt sie weder über eine nennenswerte Hausmacht noch über Rückhalt. Das Treffen zwischen Merz und Bayerns CSU-Chef Stoiber am Rande der Sicherheitstagung - ob "geheim" oder nicht - sorgte bei Merkel für Ärger und gab Spekulationen über "Bündnisse" neue Nahrung. Angela Merkel, der niemand etwas böses will, geht einen schweren Gang. Merz bringt sich in Stellung - möglicherweise zu früh.

Gerd Reuter

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