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Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw): Annette Lehnigk-Emden.

© picture alliance/dpa/Thomas Frey

„Da gibt es mehr Bürokratie als bei uns“: Chefin des Bundeswehr-Beschaffungsamts kritisiert Rüstungsindustrie scharf

Die oberste Einkäuferin der Truppe findet, die Koblenzer Behörde werde in der öffentlichen Debatte unfair behandelt – und wirft den Herstellern vor, ihre Kapazitäten zu langsam auszuweiten.

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In der Debatte um die Ausrüstung der deutschen Armee und den teils langsamen Einkauf von neuem Material steht oft die zuständige Behörde in der Kritik. Nun wehrt sich die Präsidentin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Sie wirft ihrerseits der Rüstungsbranche zu viel Bürokratie und eine schleppende Ausweitung ihrer Kapazitäten vor.

„Wenn die Industrie nicht bereit ist, ihre Produktion hochzufahren, dann können wir hier so schnell arbeiten, wie wir wollen – das Gerät fehlt letztlich trotzdem“, sagte Annette Lehnigk-Emden der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Die Industrie hat teilweise stärkere Fesseln als wir“, so Lehnigk-Emden. „Ich habe den Eindruck, da gibt es mehr Bürokratie als bei uns.“ Dabei sei das Risiko, Produktionsanlagen auszubauen, auch ohne langfristige Abnahmegarantien überschaubar.

Wenn Sie meinen, wir sind die verkopften bürokratischen Beschaffungsverhinderer, dann haben Sie ein falsches Bild.

Annette Lehnigk-Emden,  Präsidentin des Beschaffungsamts

„Wir haben unter der Ampelregierung Aufträge im Wert von knapp 150 Milliarden Euro erteilt. Aber wir haben noch kein Gerät in diesem Wert bei der Bundeswehr stehen“, sagte Lehnigk-Emden. Die 63-jährige Verwaltungsjuristin leitet die Behörde seit zwei Jahren.

„Wir werden kaufen, das ist im Prinzip jedem klar“, betonte Lehnigk-Emden. „Natürlich können sich die Unternehmen schon vorbereiten: eine Halle bauen, nötige Teile kaufen und Stahl bereitlegen.“ Die Firmen müssten mehr gegen zu lange Produktionszeiten tun, so die Leiterin des BAAINBw. „Wir sehen gerade zarte Anfänge, dass die Industrie dem Staat da entgegenkommt.“

Die Industrie wünsche allerdings Abnahmegarantien. Aber, so Lehnigk-Emden: „Das ist nicht unsere Entscheidung, das ist Sache der Politik. Natürlich würden Abnahmegarantien helfen, mit allen Rechtsfolgen, wenn wir nicht kaufen würden.“

Das Beschaffungsamt steht seit der Einrichtung des Bundeswehr-Sondervermögens vor drei Jahren verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit. Die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben wird das Beschaffungsvolumen voraussichtlich weiter erhöhen. 

Lehnigk-Emden verwahrte sich zugleich gegen verbreitete Kritik: „Die öffentliche Debatte ist nicht ganz fair“, sagte sie. „Wir sind als Amt quasi das Gesicht der Beschaffung nach außen, aber keiner nimmt die anderen Beteiligten im Prozess wahr, die zum Beispiel vorher fünf Jahre an der Produktdefinition arbeiten.“

Auch wenn die Industrie ein mangelhaftes Produkt liefere, sei in der öffentlichen Wahrnehmung das Beschaffungsamt schuld. „Wenn Sie meinen, wir sind die verkopften bürokratischen Beschaffungsverhinderer, dann haben Sie ein falsches Bild. Das war nie so, und heute ist es erst recht nicht so.“

Andere Abläufe im Beschaffungsamt der Bundeswehr

Bis 2022, bis zum russischen Angriff auf die Ukraine, habe man drei Jahrzehnte im Frieden gelebt. „Da hatten wir viel Zeit für Goldrandlösungen. Jetzt hat jeder hier im Amt verstanden: Es kommt auf uns an, damit die Truppe schnell verteidigungsfähig wird.“

Lehnigk-Emden weiter: „Wir erwarten, dass jeder auf seiner Ebene Entscheidungen trifft und nicht alles in der Hierarchie nach oben durchgereicht wird. Eine Behörde ändern Sie nicht in drei Wochen. Aber das Mindset hat sich bereits gewandelt. Die Leute überlegen selbst, wie sie die Dinge schnell umsetzen. Dafür gibt es auch mehr Toleranz bei Fehlern.“

In zahlreichen Wirtschaftszweigen wird über eine überbordende Bürokratie geklagt. Unternehmer und Branchenverbände sehen in vielen Vorschriften einen Hemmschuh für ihre Geschäfte und setzen deswegen Hoffnungen in eine neue Bundesregierung. Bürokratieabbau ist einer der Diskussionspunkte in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.

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