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Politik: Das bewegt Millionen

Von Peter von Becker

Die einen drängen zu Knut, die anderen zur Kunst. Gerade hat die deutsche Hauptstadt einen neuen, von immer mehr internationalen Gästen geprägten Ostertourismusrekord erlebt. Aber je schneller der wonnige Bär nun wächst und bald nicht mehr taugt zum kollektiven Knuddelpetz, desto mehr schrumpft seine Attraktion. Bei Berlins wachsendem Kunst- und Kulturangebot dagegen verhält es sich umgekehrt.

Deswegen auch diese spürbare Erwartung: dass neue Bewegung kommt in die vom Land Berlin und dem Bund wechselseitig getragene Hauptstadtkulturpolitik. Wir sind im 18. Jahr seit der Wende, also auf dem Sprung zur gesamtdeutschen Volljährigkeit. Da wird sich auch hierin weisen, wie erwachsen diese Politik und ihre Protagonisten nun sind. Nach der architektonischen Wiederfindung einer deutschen Regierungsmitte und der Substanzsicherung oder Neubegründung bedeutender Kultureinrichtungen steht Berlin vor der zweiten, auf Jahrzehnte hinaus entscheidenden Phase der Hauptstadtentwicklungspolitik.

Indizien für Spannung, Nervosität, für Brüche und mögliche Aufbrüche gibt es zuhauf. So hat der Streit um die Sammlung Marx im Hamburger Bahnhof die alte Erkenntnis neu beflügelt, dass Berlin nun wirklich einen Ausstellungsort für die in der Stadt und aus ihr heraus boomende Gegenwartskunst braucht. Der Einsicht soll demnächst eine konkrete Aussicht folgen. Und soeben hat Monika Grütters, die als Kulturkämpferin in der CDU-Bundestagsfraktion auch das Ohr der Kanzlerin findet, in dieser Zeitung anstelle der Übernahme der Staatsoper eine zwar weniger entlastende, gleichwohl föderalismustauglichere Obhut des Bundes für die Berliner Philharmoniker empfohlen.

Ein neuer, eher kooperativer Ton deutet sich, während der Regierende Kulturbürgermeister noch im Urlaub ist, dabei an im Verhältnis zwischen dem Bund und Berlin. Es geht um den Schloßplatz, und hier spielt nun wirklich die Musik. Berlin muss selbst in all seiner Haushaltsarmut wissen, dass es an diesem symbolischen Ort um einen mehr als nur symbolischen Zuschuss zur Gestaltung des künftigen Haupt-Stadtplatzes nicht herumkommt. Doch das wird sich auszahlen und sogar sarrazinisch rechnen: Eine Schlosshülle als das von Stadtromantikern ersehnte und von Liebhabern zeitgenössischerer Architektur zumindest mit gruselnder Neugier erwartete Artefakt wird allemal zum internationalen Ereignis. Dresden mit seiner zum Magnet gewordenen, rekonstruierten Frauenkirche ist da ein Vorzeichen.

Ein Monstrum freilich steht der Bewegung hin zum freien Raum und dem geplanten Architektenwettbewerb noch entgegen. Hatte die zwischenzeitlich bespielte Ruine des Palastes der DDR-Republik noch ihren eigenen ästhetischen Reiz, so ist das schwarzrußige Skelett längst zu einem optischen Schrecken mitten in Berlin geworden. Es klingt unglaublich, trotz aller Asbest-Beschwörungen, dass die Beseitigung noch bis mindestens Ende 2008 dauern soll. Vor allem ausländische Stadtplaner macht dieser Abriss in Zeitlupe, ein Fall auch von urbanistischem Masochismus, fassungslos.

Und es macht manche misstrauisch, was die Zwischennutzung des einmal abgeräumten Platzes betrifft. Das jetzt vorgesehene Provisorium einer privat finanzierten Leichtbauhalle für moderne Kunst ist eine gute Idee – aber nur dann, wenn das Winzding auf der weiten Flur nicht zu lange zur Übergangsausrede für eine echte Kunsthalle und für die endgültige Gestaltung des Schloßplatzes wird. Immerhin weist das Signum „Kunst“ (statt Kommerz) in die richtige Richtung.

Mag Dresdens Frauenkirche als wiedergewonnener Sakralbau auch authentischer sein als eine schiere Schlossfassade: In Berlin geht es nicht allein um die neugewonnene stadtbildnerische Silhouette, sondern ebenso um den Inhalt, die Idee des Humboldt-Forums mit Berlins überseeischen Sammlungen als Fortsetzung und Abschluss der dann einzigartigen Museumsinsel. Gelingt dies, gehört Berlin wieder zur Grand Tour der Weltkulturreisenden. Das wird Millionen bewegen. Je früher, desto besser.

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