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03. Februar 1952: Pinzessin Elizabeth erhält den Schlüssel und die Besitzurkunde der Royal Lodge als Hochzeitsgeschenk in Nairobi, Kenia.

© imago/United Archives International

Das Echo aus den Kolonien: Muss jeder trauern?

Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. tobt im Netz eine scharfe Diskussion um das Erbe der Monarchie

Während am Donnerstag Menschen auf der ganzen Welt ihre Trauer um Queen Elizabeth II. zum Ausdruck brachten, löste ihr Tod bei manchen – insbesondere Menschen aus den ehemaligen britischen Kolonien – ganz andere Gefühle aus. Schon nach den ersten Meldungen über den sich verschlechternden Gesundheitszustand der Königin war in den Sozialen Medien ein regelrechter Schlagabtausch zu beobachten.

Auf der einen Seite diejenigen, die angaben, keine Trauer für eine Vertreterin eines jahrhundertelangen Unrechtsregimes empfinden zu können, das sich für Sklaverei und Kolonialismus bis heute weder entschuldigt noch Reparationen gezahlt hat. Auf der anderen diejenigen, die diese Kommentare als pietätlos zurückwiesen und Respekt für die Queen und ihre Familie forderten.

Im April 2021 legen Trauernde in Gedenken an Prinz Philip Blumensträuße nieder. Nach dem Tod der Queen gibt es jedoch nicht nur Trauerbekundungen.
Im April 2021 legen Trauernde in Gedenken an Prinz Philip Blumensträuße nieder. Nach dem Tod der Queen gibt es jedoch nicht nur Trauerbekundungen.

© Foto: AFP/Paul Ellis

Für besondere Aufregung sorgte der Tweet der renommierten Professorin Uju Anya, die aus Nigeria stammt und an der US-Universität Carnegie Mellon lehrt: Sie bezeichnete Queen Elizabeth II. als „oberste Monarchin eines diebischen, vergewaltigenden und völkermordenden Reiches“ und wünschte ihr „unerträgliche Schmerzen“.

Elizabeth II. hat dieses System mitgetragen und verstetigt

Nitish Pahwa, Autor

Die scharfe Zurückweisung ließ nicht lange auf sich warten – und kam von keinem geringeren als Amazon-Gründer Jeff Bezos. Die Universität distanzierte sich von Anyas Aussagen und die Professorin löschte schließlich ihren Tweet.

So trauern tausende Briten nach dem Tod der Queen Elizabeth. In anderen Teilen der Welt stehen gemischtere Reaktionen auf der Tagesordnung.
So trauern tausende Briten nach dem Tod der Queen Elizabeth. In anderen Teilen der Welt stehen gemischtere Reaktionen auf der Tagesordnung.

© Foto: Reuters/Henry Nicholls

Deutlich differenzierter äußerte sich der indischstämmige Autor Nitish Pahwa: „Stellen Sie sich vor, dass Sie wie ich familiäre Wurzeln in einem der vielen Länder haben, die der willkürlichen Grausamkeit der britischen Herrschaft ausgesetzt waren,“ schrieb er im Magazin Slate. „Höchstwahrscheinlich sind Sie nicht mit Blick auf den Buckingham Palace aufgewachsen, sondern haben die Präsenz der britischen Krone auf andere, heimtückischere Weise zu spüren bekommen.“

Pahwa weist auf Armut und Unterentwicklung als Folge der jahrhundertelangen Ausbeutung hin und prangert eine problematische Erinnerungskultur an: das Verdrängen oder Weißwaschen vergangener Gräuel, das beschönigte Vermächtnis von gewalttätigen Beamten des Empire, die Ausstellung von geplünderten Gegenständen in Museen und nicht zuletzt die Platzierung eines ikonischen indischen Juwels in der königlichen Krone.

Vielleicht sei es ungerecht, von einer Person zu verlangen, dies alles auszugleichen, räumt Pahwa ein. Doch Elizabeth II. habe dieses System mitgetragen und verstetigt.

Afrika ist der Kontinent, der am stärksten unter den Auswirkungen der Klimakrise leidet, für deren Ursachen Großbritannien mitverantwortlich ist.

Olumide Abimbola, Leiter des Africa Policy Research Institute in Berlin

Bricht mit König Charles III. nun eine neue Ära an? Während seines Ruanda-Besuchs im Juni brachte Charles seine „tiefe Betroffenheit über die entsetzliche Grausamkeit der Sklaverei“ zum Ausdruck. Ein historischerer Schritt. Er ging damit deutlich weiter als seine Mutter es jemals getan hat – eine Entschuldigung blieb bislang jedoch aus. Vermutlich wird es sie aus Sorge um Reparationsforderungen auch nie geben.

König Charles III. und sein Sohn William am Tag des Staatsbegräbnisses seiner Mutter. Wird er einen anderen Umgang mit dem historischen Erbe Großbritanniens haben?
König Charles III. und sein Sohn William am Tag des Staatsbegräbnisses seiner Mutter. Wird er einen anderen Umgang mit dem historischen Erbe Großbritanniens haben?

© Foto: dpa/Hannah Mckay

Olumide Abimbola, der aus Nigeria stammt und in Berlin das Africa Policy Research Institute leitet, wertet Charles‘ Geste als positives Zeichen in Richtung möglicher Bemühungen um eine gewisse Wiedergutmachung. Afrika sei der Kontinent, der am stärksten unter den Auswirkungen der Klimakrise leide, für deren Ursachen Großbritannien mitverantwortlich sei.

Für den neuen König Charles III., der sich seit vielen Jahren für Klimaschutz und Biodiversität engagiert, so Abimbola im Gespräch mit dem Tagesspiegel, liege hier eine historische Chance, neue Wege zu gehen. Er stehe zwar nicht an der Spitze einer Regierung, habe aber enorme moralische Autorität. Diese sollte er für ein beherztes Engagement gegen den Klimawandel nutzen, dem drängendsten Problem unserer Zeit.

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