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Heftig unter Beschuss: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

© Kay Nietfeld/ dpa

"Das schwächt den sozialen Zusammenhalt": Kritik an Spahns Plan zum Umbau der Krankenversicherung

Gesundheitsminister Spahn will die Struktur der gesetzlichen Krankenkassen ändern. Verbände sprechen von einem "Generalangriff auf die Sozialpartnerschaft".

Der Plan von Gesundheitsminister Jens Spahn, die Strukturen an der Spitze der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu ändern, stößt bei den Arbeitgebern auf heftige Kritik. Spahns Gesetzentwurf sei „der erste Schritt zur Abschaffung der Selbstverwaltung und zur Zentralisierung des Gesundheitswesens“, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, dem Tagesspiegel. Im Resultat werde das zu schlechterer Versorgung und höheren Ausgaben führen.

Massiver Widerstand kommt auch von den beiden Verwaltungsrats-Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbands. Spahns Vorhaben sei „ein Generalangriff auf Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft“, sagte Arbeitgebervertreter Volker Hansen dieser Zeitung. Und Uwe Klemens als Versichertenvertreter warnte davor, dass die „Patientenperspektive“ unter die Räder komme. Zudem sei das infrage gestellte Sozialpartnerprinzip ein wichtiger Baustein der Demokratie. „Wer die Selbstverwaltung schwächt, schwächt den sozialen Zusammenhalt.“

Minister begründet seine Umbaupläne mit "Professionalisierung"

Spahns Entwurf für das sogenannte „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ sieht unter anderem vor, dass der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands „künftig nicht mehr aus ehrenamtlichen Vertretern der Verwaltungsräte der Krankenkassen, sondern aus Vorstandsmitgliedern der Mitgliedskassen“ gebildet wird. Ziel sei „eine Professionalisierung“, heißt es zur Begründung. Mit den wettbewerblichen Rahmenbedingungen würden „auch die Strukturen des GKV-Spitzenverbandes an aktuelle Erfordernisse angepasst“.

Tatsächlich ziele das Manöver darauf, die Position des Gesetzgebers im Gesundheitssektor weiter zu stärken, sagte Wollseifer, der auch als Vorstandschef der Bundesvereinigung der Innungskassen fungiert. „Ich sehe das als nicht demokratisch an.“ Die Verwaltungsrats-Chefs glauben, den wahren Grund für dafür zu kennen. Die Selbstverwaltung habe an einigen gesundheitspolitischen Plänen des Ministers öffentlich "sehr deutlich" Kritik geübt, erinnert Klemens. Nur zwei Wochen später habe Spahn dann seinen Plan zur Verdrängung aller Versicherten- und Arbeitgebervertreter aus dem höchsten Gremium der sozialen Selbstverwaltung vorgelegt. „Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.“

Laut Koalitionsvertrag sollte die Selbstverwaltung eigentlich gestärkt werden

Auch in seiner offiziellen Stellungnahme findet der GKV-Spitzenverband scharfe Worte. Spahns Pläne rührten „an den Grundfesten des Sozialversicherungssystems“, heißt es gleich zu Beginn des 145-Seiten-Papiers, das dem Tagesspiegel in der Endfassung vorliegt. Mit Spahns Referentenentwurf solle „ein Systemwechsel für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung angestrengt“ werden. „Bei wichtigen und weitreichenden Grundsatzfragen der Gesundheits- und Pflegeversorgung würden die Sozialpartnerschaft und damit die soziale Selbstverwaltung an entscheidender Stelle ausgeschaltet.“

Zu befürchten sei nun eine „Kettenreaktion“ für die gesamte gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung. Dabei sei es „erst ein gutes Jahr her“, dass Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hätten, die Selbstverwaltung stärken zu wollen.

Wettbewerb statt Systemperspektive

Wenn die Grundsatzentscheidungen des Systems künftig nur noch von hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern getroffen würden, käme es „ zu unüberbrückbaren Interessenskonflikten“, warnen die Verfasser. Anders als ehrenamtlich tätige Verwaltungsräte stünden hauptamtliche Kassenfunktionäre nämlich „in einem wettbewerblichen Konkurrenzverhältnis“ zu anderen Versicherern. Es bestehe dann „das Risiko, dass primär Einzelinteressen der im Wettbewerb stehenden Krankenkassen vertreten werden und die Systemperspektive verloren geht“.

Zuvor hatten bereits Gewerkschafter und die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) gegen Spahns Pläne mobil gemacht. IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban nannte Spahns Vorgehen im "Handelsblatt" einen "eklatanten Verstoß gegen den Koalitionsvertrag". Und BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter bezeichnete das Vorhaben des Ministers als "hanebüchen". Die Beitragszahler müssten mitentscheiden können, wie ihre Mittel eingesetzt würden.

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