Politik-Wissenschaftler Sarcinelli: "Das trifft den Kern seiner Integrität"
Der Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli über die Folgen der Plagiatsvorwürfe für das Ansehen von Verteidigungsminister Guttenberg.
Ich bin nicht sicher, ob es seinem Ansehen schadet. Das hängt natürlich davon ab, wie umfangreich die Plagiate tatsächlich sind. Was bisher bekannt geworden ist, ist sehr unschön, auch wissenschaftlich unethisch. Aber das reicht noch nicht, um eine solche Arbeit total zu verdammen. Sollte sich aber bei der Prüfung der Dissertation herausstellen, dass systematisch plagiiert wurde, hat er natürlich ein richtiges Problem.
Wenn ihm der Doktortitel aberkannt würde – wäre er noch tragbar als Minister?
Die Aberkennung des Doktorgrades wäre in der Tat ein gravierender Vorgang und für ihn dramatisch. Es hieße, dass ein amtierender Minister des Betrugs überführt worden wäre. Dann käme es auf die Umstände an. Wenn er argumentieren könnte – und wir hatten im letzten Jahr eine Diskussion um die Dissertation der Familienministerin Schröder –, dass die Fehler auf Hilfskräfte zurückgehen, wäre er wohl aus dem Schneider. Aber wenn noch mehr hinzukäme und er alles auf sich allein nehmen müsste, würde sich schon die Frage stellen, ob er noch im Amt zu halten ist.
Nützt oder schadet ihm jetzt, dass er bisher weithin als sehr sauberer und ehrlicher Politiker galt?
Der Konflikt trifft in der Tat den Kern der Integrität seiner Person. Es wird jetzt vor allem darauf ankommen, wie er damit umgeht. Vorausgesetzt, dass die Vorwürfe nicht noch massiver werden, schließe ich nicht aus, dass er auch aus dieser misslichen Situation unbeschadet hervorgeht. Promotionen sind kein Thema, mit dem sich Tante Frieda und Onkel Otto identifizieren.
Sind Politiker besonders gefährdet für solche Verfehlungen, weil sie zu wenig Zeit und vielleicht zu viele Zuarbeiter haben?
Wenn sich bei einem politischen Akteur akademischer Ehrgeiz, persönlicher Ehrgeiz, Karriereorientierung und Eitelkeit miteinander vermischen, dann kann es schon schwierig werden.
Wo würden Sie auf einer Skandalisierungsskala von eins bis zehn das Potenzial der Causa Guttenberg einordnen?
Bei politischen Skandalen ist oft nicht das eigentliche Skandalon das Problem, sondern wie der Betroffene damit umgeht. In dieser Hinsicht ist Guttenberg bisher ein Profi gewesen. Als es große mediale Erregung über den Besuch mit seiner Frau in Afghanistan gab, ist die in sich zusammengebrochen, als der Akteur frontal die Presse anging und sagte: Ich mache es das nächste Mal genauso. Momentan bewegt sich der Skandal auf der Skala von eins bis zehn etwa bei vier.
Ulrich Sarcinelli ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau. Das Gespräch führte Matthias Schlegel.