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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU).

© Rainer Jensen/dpa

Update

Ghettobildung verhindern: De Maizière will Flüchtlingen Wohnort vorschreiben

Viele Flüchtlinge zieht es in die großen Städte. Die Politik fürchtet Ghettobildung - und will gegensteuern. Das Innenministerium soll bereits an einer Gesetzesänderung arbeiten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will anerkannten Flüchtlingen für eine bestimmte Zeit den Wohnort vorschreiben. „Eine Wohnortzuweisung für Flüchtlinge halte ich für dringend geboten, um Ballungsräume von den Risiken einer Ghettobildung zu entlasten“, sagte der CDU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Er hatte schon früher entsprechend argumentiert. Nach Informationen der Zeitung hat das Innenministerium nun jedoch bereits Eckpunkte für eine entsprechende Regelung im Aufenthaltsgesetz erarbeitet. Über die Verteilung von Flüchtlingen auf bestimmte Wohnorte sollen demnach die Bundesländer entscheiden.

Der Koalitionspartner SPD unterstützt das Vorhaben grundsätzlich. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte: „Eine Wohnortzuweisung für einen gewissen Zeitraum kann ein sinnvolles, ergänzendes Instrument sein, wenn es richtig ausgestaltet ist.“ Dabei sollte die Situation auf dem Wohnungsmarkt der jeweiligen Bundesländer eine wichtige Rolle spielen. De Maizière müsse jetzt einen „rechtlich tragfähigen Vorschlag“ für eine gesetzliche Regelung vorlegen.

In ähnlicher Weise hatten sich kürzlich auch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sowie die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geäußert. „Damit wir in zehn Jahren über eine gelungene Integration der Flüchtlinge sprechen können, brauchen wir jetzt eine Wohnsitzauflage“, sagte Krafts Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) nun der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. „Die Bürger müssen sehen, dass es mit der Verteilung der Lasten, die mit der Unterbringung von Flüchtlingen verbunden sind, gerecht zugeht.“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung schränkte das Anliegen in einem Punkt ein. Wichtig sei, den Flüchtlingen an ihrem Wohnort rasch Arbeitsmöglichkeiten zu geben, gab die SPD-Politikerin Aydan Özoguz zu bedenken. „Es ist richtig, dass nicht alle Flüchtlinge in die Städte ziehen können.“ Um das zu verhindern, müsse es für diejenigen, die einer Wohnsitzauflage unterliegen würden, rechtzeitig Angebote für den Arbeitsmarkt geben. Auf keinen Fall dürften die Flüchtlinge zum Nichtstun verdonnert werden.

Unionsfraktionsvize Thomas Strobl (CDU) sagte der "Welt am Sonntag": "Integration funktioniert nicht, wenn sich Ghettos bilden." Große Städte dürften zudem nicht überfordert werden. Ausnahmen könne es nur geben, "wenn am Wunsch-Wohnort zwei Dinge vorhanden sind: ein existenzsichernder Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung".

Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke sprach von einem "perfiden Vorschlag". Eine Wohnortauflage verstoße gegen das Europa- und Völkerrecht, sagte Jelpke der "tageszeitung" vom Montag. Danach hätten anerkannte Flüchtlinge das Recht auf Freizügigkeit, also auf freie Wahl des Arbeits- und Wohnortes.

Vorbild für die Pläne de Maizières ist laut „Welt am Sonntag“ das frühere Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler. Dies hatte in den 90er-Jahren alle neu zugewanderten Spätaussiedler für einen festgelegten Zeitraum an einen zugewiesenen Wohnort gebunden. Ab 1996 waren Sanktionen möglich: Wer vor Ablauf von zwei Jahren den Wohnort wechselte, verlor den Anspruch auf Sozialleistungen. Das Gesetz ist inzwischen ausgelaufen. Im Asylpaket II ist eine Wohnsitzauflage nur für noch nicht anerkannte Asylbewerber vorgesehen. (Tsp, dpa, AFP)

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