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Politik: Dem Falken werden die Flügel gestutzt

LONDON .Tony Blair wird nicht gefallen haben, was am Freitag und am Donnerstag in den englischen Tageszeitungen stand.

LONDON .Tony Blair wird nicht gefallen haben, was am Freitag und am Donnerstag in den englischen Tageszeitungen stand."Blair von Clinton wegen Kriegshetzer-Sprache zurechtgewiesen", schrieb der "Independent" gestern, und die "Times" titelte: "Deutsche attackieren isolierten Blair." Die eigene Presse scheint damit dem britischen Premierminister in den Rücken zu fallen.Doch am Mittwoch in der allwöchentlichen Fragestunde im Unterhaus hatte Blair noch gesagt, daß keine Differenzen zwischen ihm und dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton bestünden.

Doch gerade bei dieser Gelegenheit zeigte er in einem Detail, daß die Briten innerhalb der Nato immer mehr allein stehen.Der Premierminister verwendete im Zusammenhang mit dem Kosovo erstmals das Wort "Krieg".Er hätte wegen des Kriegs im Kosovo mehrere Kabinettssitzungen verpaßt, erklärte Blair.Bisher hatten sowohl Nato als auch die britische Regierung immer nur vom Kosovo-Konflikt geredet.

Sicher ist, daß Blair seine Falkenhaltung nicht aufgegeben hat.Er fordert nach wie vor den Einsatz von Bodentruppen, das hatte er in seinen jüngsten Reden im In- und Ausland untermauert.Doch in den letzten beiden Tagen gingen die Bemühungen von ihm und Außenminister Robin Cook dahin, die Meldungen von Spaltungen innerhalb der Nato zu dementieren.Doch Stellungnahmen aus den USA widerlegen das."Wir müssen uns besser koordinieren und nicht Differenzen und unterschiedliche Meinungen öffentlich ausposaunen", zitierte der "Independent" am Freitag einen Sprecher des Weißen Hauses in Washington.

Der "Daily Telegraph" wies in einem Artikel seiner Donnerstagsausgabe auf einen Umstand hin, der zeige, daß die USA keine amerikanischen Soldaten in den Kosovo entsenden wollen."Die Tatsache, daß das Fallschirmregiment der britischen Armee die Nato-Kommandanten im Balkan stellt, ist wohl das klarste Zeichen der Unwilligkeit der Amerikaner, Kampftruppen in den Kosovo zu schicken", schrieb die konservative Tageszeitung, die wie Blair bisher einen harten Kurs eingeschlagen hatte.Für Washington sei es unvorstellbar, daß GIs in einer Krise nicht unter dem Kommando eines Amerikaners stünden, schrieb der "Telegraph" weiter.

Auch der britische Verteidigungsminister George Robertson versuchte, die Isolation der Briten innerhalb der Nato und die Meinungsverschiedenheiten herunterzuspielen."In einer Allianz mit 19 Nationen, mit 19 demokratischen Regierungen, werden immer unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt", sagte Robertson in einem Radio-Interview mit der BBC.Doch wo der britische Schwerpunkt liegt, hatte Blair am Mittwoch im Unterhaus noch einmal deutlich gemacht."Wir werden bei unseren Forderungen keine Kompromisse eingehen", sagte der britische Premierminister, und das heißt: Einsatz von Bodentruppen.

Dabei muß sich Blair eine Frage stellen: Woher nehmen? Ein großer Teil der britischen Armee ist immer noch in Nordirland stationiert, und zahlreiche britische Truppen sind immer noch in Bosnien.Wenn es nämlich doch noch zu einem Einsatz von Bodentruppen im Kosovo kommt, müssen wohl mehrheitlich britische Soldaten ran.Dann müßte Blair auf das eingehen, was seine Nordirland-Ministerin Mo Mowlam vor einigen Monaten gesagt hatte: Um den Friedensprozeß weiter voranzubringen, könne sie sich vorstellen, daß bald einmal britische Truppen aus Nordirland abgezogen würden.Einen Zeitpunkt nannte die britische Ministerin jedoch nicht.

Der würde dann bald folgen, falls Blair doch noch seinen Willen durchsetzt.Doch je mehr vor allem Bill Clinton die Flügel des Falken in der Nato stutzt, umso unwahrscheinlicher wird das.

MARTIN PÜTTER

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