Politik: "Der Bedarf an Fachkräften ist in der EU nicht zu decken" - Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, zum Arbeitsmarkt
Norbert Walter (55) ist Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Mit ihm sprach Armin Lehmann über die Chancen einer neuen Einwanderungspolitik.
Norbert Walter (55) ist Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Mit ihm sprach Armin Lehmann über die Chancen einer neuen Einwanderungspolitik.
Brauchen wir "Green Cards" für High-Tech-Arbeiter in der Informations- und Telekommunikationswirtschaft?
Wie brauchen ganz sicherlich massenhaft Fachleute dort. Ob es allerdings die Green Card sein muss, wäre die Frage, wo wir noch nicht einmal ein Konzept für eine Einwanderungspolitik haben.
Ist nicht zunächst einmal ein neues Arbeitsgenehmigungsrecht wichtig?
Mein Gefühl ist, dass die Oberlehrer in Deutschland natürlich immer bei Angeboten und Verboten an Genehmigungen denken. Ich denke lieber an eine Regel, die nicht so bürokratisch ist. Wenn man Ausländer auf der Basis von Eingangsprüfungen hereinlässt, dann werden viele von denen auch das Talent haben, das wir brauchen.
Sie können sich Deutschland also als Einwanderungsland vorstellen, in dem es Kontingente für bestimmte Berufsgruppen gibt?
Ich bin jemand, der seit zwanzig Jahren zur Einwanderungspolitik ja gesagt hat. Denn wer keine Kinder gebärt und wirtschaftliche Stabilität will, wird am Ende chaotische Einwanderung haben. Also bin ich für eine selektierte Einwanderung, die nicht bürokratisch ist. Ich finde, eine Aufnahmeprüfung für eine Bildungseinrichtung eine geeignetere Schranke als ein Losverfahren oder ein Arbeitsamt, das sich zum Oberrichter der jeweiligen Qualifikation aufschwingt.
Und der Bedarf, den wir an Arbeitskräften haben, ist nicht innerhalb der EU zu decken?
Hier sage ich vehement nein. Es ist überall das gleiche Problem. Dort, wo junge Leute da sind, wie in Irland und Polen, geht die Post so ab, dass dort alles verfügbare Talent aufgebraucht wird. Aus dem Auswanderungsland Irland ist ein Einwanderungsland geworden. Wir müssen uns an die "dotcoms" mit indischem Ursprung gewöhnen. Das können anderen Länder wie die kleinen USA zufälligerweise auch.
Brauchen wir nicht Arbeiter im Niedriglohnbereich, um Ausländer zu integrieren?
Natürlich, denn sonst arbeiten sie ja ohnehin schwarz in den Jobs. Aber wir sind gesellschaftlich nicht bereit, die Wirklichkeit anzuerkennen. Bei der Wein- oder Erdbeerernte wissen wir, dass Bürgermeister und Winzer auf öffentlichen Plätzen Toiletten und Duschen aufstellen, aber es ist politisch inkorrekt, darüber zu reden. Man sagt, ja warum machen unsere Arbeitslosen die Arbeit nicht. Leider ist es so, dass viele Winzer die Erfahrung gemacht haben, dass deutsche Arbeitslose zwar delegiert werden, aber am nächsten Tag nicht zur Arbeit erscheinen.
Wäre eine Modernisierung des Arbeits- und Aufenthaltsrechts für Ausländer nicht sinnvoll hinsichtlich der Renten?
Ja, unbedingt. Offenkundig ist zwar, dass wir damit nicht die Lösung haben, dafür müssten wir das System umstellen. Aber wenn wir in der nächsten Zeit Arbeitskräfte durch Einwanderung gewinnen, dann ist das eine gewisse Erhöhung der Beitragszahler.
Brauchen wir \"Green Cards\" für High-Tech-Arbe