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Besser spät absagen als hinfahren: Siemens-Chef Joe Kaeser hat eingesehen, dass er jetzt nicht nach Riad reisen kann.

© Sven Hoppe/dpa

Der Fall Khashoggi: Moral ist nicht käuflich - nicht mal bei Siemens

Warum Joe Kaeser seine Teilnahme an der Investorenkonferenz absagen musste. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es hat dann ja doch ziemlich lange gedauert. Schier unerträglich lange, bis Joe Kaeser, der Siemens-Chef, also ein Manager aus der Welt-Liga, begriffen hat, dass sein Handeln oder Unterlassen in der Welt Beachtung findet. In diesem Fall geht es um seine Teilnahme am Wirtschaftsforum in Riad, das jetzt nicht mehr von allergrößter internationaler Klasse ist. Vielmehr spiegelt es wider, welchen Ruf die Saudis gerade in aller Welt durch den grausigen Fall Khashoggi haben.

Ex-Siemenschef Klaus Kleinfeld bleibt den Saudis erhalten

Dass Klaus Kleinfeld noch dabei bleibt, der andere Deutsche mit klangvollem Namen als früherer Siemens- und Alcoa-Chef, ist seinen Interessen in speziell diesem arabischen Raum geschuldet. Er soll ja dem in Verruf geratenen Kronprinzen Mohammed bin Salman beim Umbau und Neuaufbau der Wirtschaft helfen, der gesellschaftlichen Vision 2030.

Kaeser nun hat sich, ja, wie soll man sagen: bitten lassen? Die Bundesregierung kaum verhüllt, die Opposition sehr deutlich, alle hierzulande haben ihm bedeutet, dass es nicht opportun ist, in dieser Situation zuallererst an Geschäfte zu denken. Der Siemens–Chef führte unter anderem eine geschäftliche Chance von bis zu 30 Milliarden Euro an. Wie anders dagegen die ansonsten so zurückhaltende Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat gehandelt und die vorgesehenen Rüstungsgeschäfte mit Riad zumindest vorerst ausgesetzt. Es ist nicht erinnerlich, wann Merkel sich zuletzt so entschieden verhalten hätte. Kaeser aber schien dem Druck zu widerstehen. Bis jetzt.

Demokratie und Grundrechte sollen universell gelten

Gut, dass er nicht hinfährt. Denn keine Diktatur darf nach einem derart brutalen Mord im Glauben bleiben, dass es weitergeht, als wäre nichts geschehen. Als wäre der Mord an Khashoggi, an dem kein begründeter Zweifel mehr besteht, nicht schon übel genug – er hat außerdem im saudischen Konsulat in Istanbul stattgefunden, was auch gegen das internationale Völkerrecht verstößt. Da ist es selbstverständlich ebenso von international tätigen Unternehmensführern zu erwarten, dass sie sich der Lage gemäß verhalten.

Was ist Haltung sonst noch wert? Demokratie und Grundrechte sollen, das ist der erklärte politische Anspruch der Bundesrepublik, universell gelten. Dem Anspruch Geltung zu verschaffen, sollte einer für alle sein. Moral ist nicht käuflich. Und was Riad betrifft: Moral ist auch nicht teilbar. Eine falsche Parteinahme hat langfristige Auswirkungen. Selbst wenn die Saudis ein wichtiger Faktor im Nahen Osten sind, ein Partner der Israelis, ein wichtiges Gegengewicht zum Iran – wer sich hier nicht unzweideutig verhält, läuft Gefahr, von den anderen Kräften der Region nicht mehr ernst genommen zu werden. Das darf dann doch für alle Beteiligten keine Vision 2030 sein.

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