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Papst Franziskus gilt vielen Traditionalisten in der katholischen Kirche als zu impulsiv.
© dpa

Debatte über Ehe und Sexualmoral: Der katholische Sündenfall

Die anstehende Bischofssynode im Vatikan könnte die Kirchenlehre revolutionieren. Der Widerstand gegen Papst Franziskus wächst.

Die Bischofssynode, die am Sonntag im Vatikan beginnt, gilt nicht nur als die wichtigste katholische Kirchenversammlung seit 50 Jahren; sie ist auch jene, die in der Öffentlichkeit mit den meisten Reformerwartungen begleitet wird. Dafür hat bei den Kirchenoberen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) kein Bischofstreffen mehr solch erbitterte Polemik verursacht wie dieses – und das, obwohl bis zum Folgetreffen im Herbst nächsten Jahres keine konkreten Beschlüsse anstehen. Es ist allein die geplante Bestandsaufnahme, die für Aufruhr sorgt.

Neu ist diese Bestandsaufnahme schon der Form nach: Die 191 Bischöfe und Kardinäle sowie die 62 Experten und Gäste, die auf Einladung von Papst Franziskus zunächst zwei Wochen lang über „Die seelsorgerischen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ diskutieren sollen, tun dies auf der Basis eines Fragebogens, den das Synodensekretariat vor einem Jahr in alle Welt verschickt hat. Wörtlich: Nicht nur Bischofskonferenzen waren um ihre Meinung gebeten worden; erstmals sollte sich mit Billigung des Papstes die Kirchenbasis selbst zu Wort melden und sagen, wie sie im Alltagsleben mit der kirchlichen Lehre zu Ehe und Sexualmoral zurechtkommt.

Die unbequemen Antworten liegen der Synode nun in ungeschönter Form als „Arbeitsmittel“ vor. Das Verfahren hat zu einer bisher ungekannten Nervosität geführt. Denn auch der neue, vom Volk gefeierte Papst predigt ja ständig gegen „Verkrustungen“ in der Kirche und will über moralisch womöglich zweifelhafte Menschen „nicht richten“. Viele Bischöfe, gerade jene, die sich ausdrücklich zu Hütern einer strengen Tradition bestellt sehen, wissen nun plötzlich nicht mehr, wie es weitergehen wird.

Beunruhigt registrieren sie, wie „linke“ Amtskollegen unter Papst Franziskus immer mehr Unterstützung zu bekommen scheinen.

Zugespitzt hat sich der Streit an einem von vielen Synodenthemen: Sollen geschiedene Katholiken, die sich zivil wiederverheiratet haben, künftig zu den Sakramenten zugelassen werden – zu Beichte und Kommunion vor allem – oder bleibt es beim traditionellen Ausschluss? Franziskus will die Praxis offenbar ändern. Dafür spricht, dass er den reformorientierten Theologen, den deutschen Kurienkardinal Walter Kasper, im Februar mit einer Analyse betraut hatte.

Zwar versichert Kasper seither, die Unauflöslichkeit der Ehe bleibe unangetastet, es könne lediglich um eine Hilfe für reuige Sünder gehen. Dennoch hat er damit viele Gegner provoziert. Kasper und der Papst selbst werden beschuldigt, alles ändern zu wollen, was die Kirche die letzten zweitausend Jahre gelehrt habe. Zum Synodenauftakt erscheint diese Woche sogar ein Buch, in dem fünf Kardinäle ihre Kritik zu Protokoll geben.

Als wären Familie und Sexualmoral als Thema noch nicht heikel genug, werden bei der Synode noch ganz andere Themen verhandelt: die künftige Gestalt der katholischen Kirche vor allem. Papst Franziskus setzt in der Kirchenleitung auf Zusammenarbeit mit Bischöfen aus aller Welt. Das ärgert die Zentralisten in Rom. Sie fürchten um ihr bequemes eurozentristisches Kirchenmodell, seit auch Regionen wie Afrika und Südamerika stärkere Mitsprache einfordern und ihre eigenen Traditionen einbringen wollen.

Dass Englisch infolge der „franziskanischen“ Umbesetzungen praktisch zur (zweiten) Amtssprache im Vatikan geworden ist, beunruhigt die Italiener in der Kirche. Unter dem dritten nicht-italienischen Papst in Folge, verlieren sie langsam ihren Einfluss.

So mancher Prälat, so schreibt Massimo Franco von der Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“, will diesen unbequemen, impulsiven Papst einfach nur aussitzen: „Ihm beugen sie sich jetzt der Form halber, aber insgeheim hoffen sie, der Sturm werde sich in wenigen Jahren wieder legen.“

Franziskus ist 77 Jahre alt.

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