Politik: Der Kronprinz darf regieren
Günther Oettinger setzt sich im Mitgliederentscheid der Südwest-CDU durch
Es hat lange gedauert. Nicht nur, dass Günther Oettinger Jahre warten musste, bis Erwin Teufel ankündigte, Platz zu machen an der Regierungsspitze in Baden-Württemberg. Nicht nur, dass Oettinger Wochen warten musste, bis ein von ihm nicht gewünschter Mitgliederentscheid Klarheit brachte über die Nachfolge. Nein, am Donnerstag musste Oettinger weiter warten. Die Auszählung zog sich hin. Erst 17 Uhr, dann 18 Uhr 30, später 20 Uhr wurden als Termin für die Verkündung des Ergebnisses durch Teufel genannt. Am Ende war es halb zehn am Abend, als Teufel verlas, was er am liebsten verhindert hätte: Oettinger ist in der der ersten Mitgliederbefragung über einen künftigen Ministerpräsidenten als Sieger hervorgegangen – mit 60 zu 40 Prozent gegen Annette Schavan, die Kultusministerin.
Mit mathematischer Präzision bereitete sich Oettinger auf das Amt des Ministerpräsidenten vor, das er gerne schon früher angetreten hätte. Doch Teufels Durchhaltewillen ließ den als „Prinz Charles der Landespolitik“ bespöttelten Fraktionschef zunehmend alt aussehen. Und Annette Schavan erwies sich als härtere Konkurrentin, als er erwartet hatte. Die Schulministerin lenkte insbesondere den Blick auf Oettingers technokratische Attitüde.
Oettinger schuf die Grundlage für seine Karriere in der Jungen Union. Schon als 30-Jähriger gelangte er in den Landtag. Nach der Wahl Teufels zum Ministerpräsidenten im Januar 1991 wurde Oettinger an die Spitze der CDU-Fraktion gewählt. Seither hat sich der 51-Jährige in alle Themen der Landespolitik eingearbeitet, sein diesbezüglich enzyklopädisches Wissen wird nur von Teufel übertroffen. Zwar hat der vorsichtige Oettinger über all die Jahre seinen Anteil an der väterlichen Steuerberatungskanzlei in Ditzingen gehalten, nicht zuletzt, um seine politische Unabhängigkeit zu bewahren. Doch nun ist er dort angekommen, wo er immer hin wollte. Und wo ihn Teufel nicht haben wollte. Der scheidende Ministerpräsident hatte versucht, Schavan als Nachfolgerin aufzubauen. Viele Parteimitglieder teilten seine gute Meinung über die gläubige Katholikin aus dem Rheinland, die dem Pragmatismus von Oettinger gerne eine mehr auf Werten basierende Politik entgegensetzte. Doch hat die 49-Jährige dabei gelegentlich vergessen, klar zu sagen, was sie will.
Bisweilen blieb sie wolkig wie in der Frage, wie sie den Schuldenberg des Landes abzutragen gedenke. Hat sie das den Sieg gekostet? Oder weil eine überalterte, männlich-ländlich geprägte Partei einer allein stehenden, kinderlosen Frau den Titel Landesmutter nicht zutraut? Schavan selbst hat Oettinger noch am Donnerstagabend gratuliert und die Partei gebeten, sich nun geschlossen hinter den Fraktionschef als Spitzenkandidaten und künftigen Ministerpräsidenten zu stellen.