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Was die Krim-Bewohner erwartet: Der Lockruf Moskaus

Das Referendum vom Sonntag hat über die Zukunft der Krim entschieden. Was erwartet die Bewohner der Halbinsel, wenn sie sich von der Ukraine trennen und Russland anschließen?

Moskau hat sich noch kurz vor dem Referendum großzügig gezeigt: Russland, so versprach Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew, werde den Haushalt der Krim – und angeblich sogar unabhängig vom Ausgang des Referendums – mit monatlich umgerechnet 80 bis 90 Millionen US-Dollar stützen. Damit soll der mögliche Wegfall von Subventionen der ukrainischen Zentralregierung kompensiert werden. Auch sollen Krim-Bewohner künftig in allen medizinischen Einrichtungen Russlands kostenlos behandelt werden, und Krim-Abiturienten sollen russische Hochschulen offenstehen. Gleichzeitig würden Renten und Gehälter im Staatsektor – vor allem für die unterbezahlten Lehrer und Ärzte – auf russische Tarife angehoben.

Die Duma will sogar die von Stalin wegen angeblicher Kollaboration mit der Wehrmacht kollektiv deportierten Krimtataren rehabilitieren. Der Gesetzentwurf dazu sieht auch materielle Entschädigungen, darunter die Rückgabe von Grundbesitz und Immobilien an die rechtmäßigen Eigentümer vor. Diese Uraltforderungen der Tataren stießen in Kiew bisher stets auf taube Ohren.

"Politische Präzisionsschläge" von USA und EU

Die Kosten, so fürchten kritische Experten wie Ex- Wirtschaftsminister Andrei Netschajew, würden Kreml und Regierung dem Steuerzahler aufbürden. Der russische Staatshaushalt könne ohne Nachtrag das Geschenkpaket für die Krim nicht verkraften. Der Grund ist der dramatische Rückgang der Einnahmen durch die schwache Konjunktur. Das Wirtschaftswachstum – geplant waren 3,5 Prozent – könnte gegen null tendieren. Vor allem dann, wenn Sanktionen des Westens greifen. Ein direktes Wirtschaftsembargo, glaubt Andrei Piontkowski vom Institut für Systemanalyse der Russischen Akademie der Wissenschaften, sei dazu gar nicht erforderlich, USA und EU würden Moskau mit „politischen Präzisionsschlägen“ massiv unter Druck setzen und hätten dabei auch die internationale Gemeinschaft hinter sich.

Die Halbinsel und ihre zwei Millionen Einwohner bekommen bislang 85 Prozent ihres Wassers und 82 Prozent ihres Stroms vom ukrainischen Festland, wie der Energieexperte Michailo Gontschar vom Nomos-Zentrum in Kiew erklärte. Bei der Gasversorgung ist die Krim dank eigener Förderung weniger abhängig. Viele auf der von Landwirtschaft geprägten Krim fürchten deshalb auch um die Zukunft des Agrarsektors. Und die Haupteinnahmequelle, der Tourismus, wird leiden: Statt in die traditionsreichen Badeorte wie Jalta und Jewpatorija, die 2013 noch mehr als zwei Millionen Urlauber anzogen, dürften viele in die Türkei oder ins russische Sotschi reisen, weil ihnen die Krim zu gefährlich wird. (mit AFP)

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