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Politik: Der Staat und die Erben

Der Fiskus profitiert kaum, wenn Vermögen den Besitzer wechseln – die Politik grübelt über Änderungen

Von Antje Sirleschtov

Berlin - 200 Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland vererbt. Und: Obwohl der größte Teil dieses Vermögens in die Hände weniger Großerben gerät, ist Vater Staat daran noch nicht einmal mit vier Milliarden Euro beteiligt. Wenn in diesem Jahr die Erbschaftsteuer neu geregelt wird, dann wird sich wohl genau an dieser Gerechtigkeitsfrage der Streit von Union und SPD entzünden. Zumal beinahe parallel dazu eine Steuerreform dazu führen wird, dass die Unternehmenssteuer gesenkt wird – und damit auch die Wirtschaft entlastet.

Kommende Woche wird sich der Bundesrat erst einmal in einer Entschließung dazu bekennen, den seit letztem Herbst vorliegenden Gesetzentwurf zur Abschaffung der Erbschaftsteuer für Unternehmer weiter zu verfolgen. Daran liegt vor allem der Union sehr viel, denn sie steht bei der Wirtschaft im Wort, dieses Steuergesetz durchzusetzen. Ihr Ziel: Wer das Unternehmen seiner Vorfahren übernimmt und fortführt, soll im besten Fall gar keine Erbschaftsteuern zahlen.

Vorher jedoch wird der Bundesrat eine eigene Arbeitsgruppe beauftragen, binnen eines halben Jahres neue Bewertungsregeln für das Erbschaftsvermögen zu vereinbaren. Dazu wurde die Politik vergangene Woche vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert. Denn die Richter stellten fest, dass es in der gegenwärtigen Praxis ein wüstes Durcheinander bei der Behandlung von Erben gibt – und damit keinesfalls Gleichbehandlung erreicht wird.

Wer das Karlsruher Urteil sorgsam liest, muss sich fragen, wozu die große Koalition überhaupt ein weiteres Gesetz zur Unternehmensentlastung im Erbfall erlassen will. Schließlich stellten die Richter fest, dass zurzeit insbesondere Unternehmen und Landwirte zu den Begünstigten im Erbfall gehören. Denn Betriebe können durch mannigfaltige – ganz legale – Tricks den zu versteuernden Wert des Unternehmens senken. Im besten (und offenbar nicht seltenen) Fall sogar unter Null, was regelmäßig dazu führt, dass die Erben diese Verluste auf privat hinterlassenes Vermögen anrechnen und damit auch hier ihre persönliche Erbschaftsteuer senken.

Die Verfassungsrichter verlangen nun von der Politik, in dieses Dickicht erst einmal Ordnung zu bringen, sprich: Für jeden Erben, ob Unternehmer oder Privatmann, müssen gleiche Spielregeln gelten. Erst auf der darauffolgenden Ebene darf Politik einzelne Erbengruppen subventionieren, wenn es ein gesellschaftliches Erfordernis gibt. Freibeträge bewirken so etwas oder ein Gesetz, wie es Schwarz-Rot bereits auf den Weg gebracht hat.

Beide Volksparteien, Bundes- und Landespolitiker und die Koalitionsfraktionen haben in den letzten Tagen beteuert, „Oma ihr Häuschen“ werde auch künftig ohne Steuerlast auf Kinder und Enkel übergehen. Wenn Omas Hütte jedoch fortan mit dem (viel höher als jetzt anzusetzenden) Verkehrswert zu bewerten ist, kann die Politik dieses Versprechen nur mit höheren Freibeträgen einlösen. Und dann muss anderswo höher besteuert werden, wenn die Bundesländer keine Steuerausfälle produzieren wollen.

Schon erinnern die ersten Sozialdemokraten an Parteitagsbeschlüsse der SPD zur Anhebung der Steuern für reiche Erben. Und sie verweisen auf ein altes Erbschaftsteuergesetz aus Schleswig-Holstein. Das liegt im Bundesrat seit 2004 und stammt noch aus Kieler rot-grünen Zeiten. Und es liest sich wie ein Leitfaden für Genossen, die bis Ende 2007 die Erbschaftsteuer neu regeln müssen: Gleiche Bewertungsregeln für alle, hohe Freibeträge für Erben von „Omas Häuschen“ und Unternehmen, dafür aber höhere Steuern für die Erben von großen Privatvermögen.

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