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Drohnenkrieg: Der Tod kommt per Joystick

Die USA weiten die Droheneinsätze aus. Im afghanisch-pakistanische Grenzgebiet sollen in den letzten zwei Jahren durch Drohnenattacken knapp 1200 Verdächtige eliminiert worden sein.

Der CIA-Offizier, der in einem abgedunkelten Raum in der Geheimdienstzentrale in Langley (Bundesstaat Virginia) mit einem einzigen Knopfdruck mehrere tausend Kilometer entfernt eine bisher nicht exakt bezifferbare Anzahl Islamisten mit deutschem Reisepass tötete, ging bei der Aktion – anders als ein Bomberpilot – kein Risiko ein. Es gab kein feindliches Gebiet zu überqueren, und der Arbeitsplatz war ein bequemer gepolsterter Bürostuhl – vor mehreren Bildschirmen und einem Joystick zum Steuern der über dem pakistanischen Wasiristan eingesetzten und von einem Geheimflugplatz in der Region gestarteten Drohne. Und auch juristisch muss der CIA-Mitarbeiter zumindest in den USA nichts befürchten: Das letzte „O.K.“ für diese effektiven Luftattacken kommt stets von der CIA-Führung, in enger Abstimmung mit dem Weißen Haus.

US-Präsident Barack Obama hat mittlerweile den „Drohnenkrieg“ am Hindukusch so massiv ausgeweitet, dass sich die bei den Angriffen auf mutmaßliche islamistische Extremisten federführende CIA sogar Fluggeräte vom US-Militär ausleihen muss. Seit vor zwei Jahren das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet, wo sich auch der Großteil der aus Deutschland stammenden Terrorsympathisanten aufhalten soll, vom Weißen Haus als neues weltweites Hauptquartier der Al Qaida klassifiziert worden war, sollen Drohnenattacken dort knapp 1200 Verdächtige eliminiert haben. Wie stark Obama diese von seinem Vorgänger eingeführte Kriegstaktik ausgeweitet hat, zeigt der Umstand, dass die rund 50 im Jahr 2009 angeordneten Drohnenangriffe die Zahl aller in den vorausgegangen drei Jahren durchgeführten Aktionen deutlich übersteigt. Nur drei Tage nach dem Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus hatte der Präsident seinen ersten Drohnenangriff in Pakistan genehmigt.

Dass Pakistan nicht lautstärker gegen die Aktionen protestiert, liegt vor allem an einem Punkt: Washington erkauft sich eine Kooperation mit aufgestockten Wirtschafts- und Militärhilfen – ein Konzept, das im Jemen, in Afghanistan und vor allem Pakistan angewandt wird. Abgesprochen ist Berichten von US-Medien zufolge, dass die Regierung in Islamabad nach außen hin die Angriffe als Verletzung der Souveränität gelegentlich verdammt, aber insgeheim kooperiert.

Kritik bleibt dennoch nicht aus. Vor allem im UN-Menschenrechtsrat rührte sich zuletzt immer wieder Unmut, weil manche die Angriffe als „außergerichtliche Exekutionen“ sehen, die gelegentlich auch zivile Opfer fordern würden. Philip Alston, ein UN-Sonderberichterstatter, warnte im Sommer vor einer Fortsetzung des CIA-Tötungsprogramms. Zum einen rügte er, dass die Aktionen nur dann zulässig seien, wenn die Zielobjekte nicht festgenommen werden könnten. Auch müssten Drohnenangriffe von regulären Militärangehörigen mit der erforderlichen Aufsicht und Kontrolle durchgeführt werden. Alston, ein Australier, fürchtet zudem eine „Playstation-Mentalität des Tötens“, da die Raketen vor Computer-Bildschirmen abgefeuert würden.

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU verklagte kürzlich sogar die Regierung und fordert detaillierte Informationen zu den Angriffen, der Befehlskette und den angerichteten Schäden auch unter Zivilisten. Auch will sie – im Auftrag von Familienangehörigen – durch ein Verfahren verhindern, dass die USA den jemenitischen Hassprediger Anwar al-Awlaki durch einen Drohnenangriff töten. US-Militärs und Staatsrechtler wie der Jurist Harold Koh, der das Außenministerium berät, verweisen jedoch darauf, dass das Kriegsrecht Staaten erlaube, Feinde in einem bewaffneten Konflikt zu töten, auch in Drittländern.

Doch in den USA gibt es mittlerweile auch andere Stimmen. David Glazier, ein Staatsrechtler an der Loyola-Universität und früherer Navy-Offizier, glaubt: Jene CIA-Piloten, die die Drohnen aus der Ferne bedienen, könnten theoretisch vor den Gerichten jener Länder angeklagt werden, in denen die Attacken geschehen. Der Grund: Sie seien keine Kombattanten im klassischen juristischen Sinn. Und bei Vorgesetzten, die den Befehl zum Raketenabschuss geben, sei letztlich sogar eine Kriegsverbrecheranklage denkbar.

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