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Familie und Beruf: Der Trend geht zum fürsorglichen Vater

Familienfreundlichkeit wird im Kampf um qualifizierte Mitarbeiter zur Pflicht. Doch da gibt es in Deutschland Nachholbedarf.

Wer in diesen Wochen durch Zeitschriften und Magazine blättert, bleibt an einem ziemlich guten Satz hängen. Der Satz ist das Herzstück einer neuen Kampagne der Telekom zum Thema familienfreundliches Unternehmen, und er lautet: „Man kann leichter von zu Hause aus ein guter Mitarbeiter sein als vom Büro aus ein guter Vater.“

Tatsächlich ist die Frage der Unternehmenskultur, der Familienfreundlichkeit entscheidend dafür, ob die Anzahl „fürsorglicher Väter“ steigen kann. Immer wieder berichten Männer, dass sie sich nicht trauen, ihre Wünsche nach mehr Flexibilität vorzutragen, weil in vielen Unternehmen ein Klima vorherrscht, in dem Anwesenheit ein wichtiges Kriterium ist für Karrieren.

Einer der Köpfe, die hinter dem zitierten Slogan stehen, ist Jürgen Kühn, 45, selbst Vater zweier Kinder, sieben und zehn, und nun verantwortlich für das sogenannte „Work-Life-Programm“ der Telekom. Kühn ist deshalb ein glaubhafter Vertreter dieser Kampagne, die zudem versucht, mehr Führungskräfte in Teilzeit zu bringen, weil er eine sozusagen vorbildliche Karriere als „neuer Vater“ aufzuweisen hat. Er selbst hat bei beiden Kindern einen großen Teil der Betreuung übernommen, hat Arbeitsstunden stark reduziert oder ist zu Hause geblieben. Seine Frau machte in dieser Zeit bei der Telekom Karriere. 2008 wurde Kühn von einem großen Backwaren-Unternehmen, das jährlich diesen Preis auslobt, zum „Spitzenvater des Jahres“ gewählt.

Auf die Frage, wie weit die „neuen Männer“ in der Gesellschaft schon gekommen sind, sagte Kühn dem Tagesspiegel: „Wir beobachten bei den Männern einen Werte- und Kulturwandel hin zum fürsorglichen Vater. Die Männer möchten an der Entwicklung ihrer Kinder teilnehmen, und sie sind offen dafür, durch die eigene Elternzeit auch der Partnerin die Möglichkeit zu geben, sich im Beruf zu verwirklichen. Übrigens wollen das viele als Gegenentwurf zum selbst erlebten Verhalten ihrer eigenen Väter.“

Noch interessanter ist, was Kühn zur Pflicht moderner Unternehmen erklärt: „Für die Telekom sind familiengerechte Arbeitsbedingungen elementar, und sie müssen auch Standard sein, damit wir im Wettbewerb um die besten Fachleute auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig bleiben. Aber auch, um unsere eigenen Leute zu halten, ihnen flexible, zeitgemäße Arbeitsbedingungen zu bieten und Auszeiten zu ermöglichen.“

Diese Einschätzung deckt sich mit wissenschaftlichen Beobachtungen. Unternehmen, vor allem im Süden Deutschlands, wo hohe Konkurrenz um qualifizierte Mitarbeiter herrscht, sind gezwungen, Instrumente wie Elternzeit oder flexible Arbeitszeiten anzubieten. Wirtschaft und Wissenschaft sprechen auch vom „War of Talents“ – so bekommt Familienfreundlichkeit allerdings eine sehr wettbewerbsorientierte Note. In Studien heißt es etwa: „Es geht letztlich darum, die Frau als potenziell Erwerbstätige mit Familienpflichten dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen.“

Familienforscher, die sich Unternehmen in Deutschland anschauen, sprechen von „wenigen Leuchttürmen“, wenn es um familiengerechtes Arbeiten geht. Daran ändert auch nichts, dass sich viele Unternehmen zu mehr Familienfreundlichkeit verpflichten oder in Netzwerken aktiv sind. Zu oft ist das bisher nur Placebo. Bei der Telekom, die nach eigenen Angaben mehr als 123 000 Beschäftigte in Deutschland hat, sind von den Mitarbeitern, die in Elternzeit gehen, rund 26 Prozent Männer. Der Anteil der Männer, die länger als zwei Monate gehen, ist auf 15 Prozent gewachsen und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt. Derzeit hat das Unternehmen rund 25 Manager, Leitende Angestellte, in Teilzeitpositionen. „Weitere 70 bis 80 haben schon ihr Interesse angemeldet – darunter sind etliche Männer“, sagt Pressesprecher Dennis Dennert.

Die Sozialforscherin Svenja Pfahl hält das Telekom-Programm für recht erfolgversprechend. Sie weiß, dass Männer am liebsten Vorbilder haben, um neue Wege zu gehen. „Alleine sind sie nicht so mutig“, sagt sie. Umso mehr Führungskräfte in Teilzeit arbeiten oder in Elternzeit gehen, umso mehr werden ihrer Ansicht nach folgen. „Am besten zum Nachahmen wäre es, wenn endlich mal ein berühmter Fußballer in Elternzeit geht“, glaubt sie. Aber da irrt sie wohl. So modern, dass ihre geliebte Mannschaft wegen der Elternzeit verliert, wollen Männer ganz bestimmt nicht sein.

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