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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban.

© Bernadett Szabo/Reuters

Exklusiv

Deutsche Politiker kritisieren Orbans Notstandsgesetz: „Inakzeptable Einschränkung der Demokratie in Ungarn“

Ungarns Regierungschef kann künftig per Dekret regieren - deutsche Politiker sprechen von einem in der EU beispiellosen Schritt.

Das am Montag vom ungarischen Parlament beschlossene Notstandsgesetz stößt in Deutschland auf massive Kritik. „Der Beschluss des ungarischen Parlaments ist eine weitere inakzeptable Einschränkung der Demokratie und der bürgerlichen Freiheiten in Ungarn, die mit EU-Standards nicht vereinbar ist“, sagte der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul dem Tagesspiegel. „Die EU-Kommission muss Ungarn klipp und klar deutlich machen, dass jetzt eine Grenze überschritten wurde.“ Das Parlament in Budapest hatte am Montag ein Gesetz gebilligt, das es dem Regierungschef Viktor Orban erlaubt, auf unbegrenzte Zeit per Dekret zu regieren.

Wadephul betonte, eine solche „Selbstentmachtung“ des Parlaments auch in Zeiten der Corona-Pandemie sei „in der EU beispiellos und nicht notwendig“. Andere Parlamente hätten gezeigt, dass sie unter Wahrung ihrer Rechte schnell die notwendigen Entscheidungen treffen könnte, damit die jeweilige Regierung handlungsfähig bleibe, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion.

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Link betonte, die Coronakrise dürfe „kein Blankoscheck“ sein. Orbans Notstandsgesetz gehe über alles hinaus, was in einer Krise zulässig sei. „Es verstößt sowohl gegen die Regeln der EU als auch gegen die des Europarats“, sagte der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion dem Tagesspiegel. Damit führe Orban sein Land in die Isolation. „Bundesregierung, EU-Kommission und Europarat müssen alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten prüfen, um gegen die ungarische Regierung vorzugehen, zum Schutz demokratischer Werte in Europa und zum Schutz der ungarischen Bevölkerung gegen einen Ministerpräsidenten, der seine Macht in der Art eines Ermächtigungsgesetzes zementieren will.“

Barley: Andere Regierungen könnten Orbans Beispiel folgen

Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley kritisierte, dass Ungarn „das Parlament auf unbegrenzte Zeit ausschaltet“. Zugleich warnte sie davor, dass andere europäische Staaten dem Beispiel Orbans folgen könnten. „Ungarn könnte für andere Regierungen zur Blaupause werden.“ Die EU habe den Entwicklungen in Ungarn viel zu lange untätig zugesehen, kritisierte die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. „Die Kommission verhält sich zu passiv, vom Europäischen Rat ganz zu schweigen.“ Barley forderte, im Fall Ungarns den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Außerdem verwies sie darauf, dass die Europäische Kommission das Recht erhalten müsse, Zahlungen an Mitgliedsstaaten auszusetzen, wenn diese rechtsstaatliche Prinzipien missachten.

Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin warnte, so verständlich ungewöhnliche Maßnahmen in Zeiten von Corona seien, so sehr könne die am Montag beschlossene Regelung die Hintertür für eine dauerhafte Aussetzung der parlamentarischen Kontrolle in Ungarn bedeuten. „Die EU-Kommission sollte als Hüterin der Verträge prüfen, inwieweit die ungarischen, aber auch alle anderen nationalen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit dem Europarecht selbst in einer Ausnahmesituation vereinbar sind.“

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