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Gruppenbild mit Söder. Der siegreiche FC Bayern bei seiner Ankunft auf dem Münchner Flughafen am 24. August.

© Peter Kneffel dpa

Sport und Moral: Deutschsein allein ist noch keine Tugend

Der Deutsche Fußballbund hat einen Leitfaden für Fans herausgegeben - mit durchaus gesellschaftlicher Tragweite. Ein Kommentar.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

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Der Deutsche Fußballbund, immerhin der größte Einzelsportverband der Welt, hat die Zeichen der Zeit verstanden. Das heißt in diesem Fall, er hat erkannt, was Menschen leitet und wie sie zugleich dorthin geleitet werden können, wo sie gerade noch nicht hinwollen. Der Verband hat unter dem Stichwort „Deutsche Tugenden 2.0“ einen Leitfaden für alle Fußballbegeisterten herausgegeben.

Was womöglich in manchen Ohren volkstümelnd (oder schlimmer) klingt, verliert diesen Unterton beim Betrachten der Wirklichkeit und war beim Spiel des FC Bayern mit anschließendem Champions-League-Sieg zu sehen. Einiges daran belegt die Version „2.0“ des Leitfaden, sprich: das Moderne.

Erst einmal ist diese Mannschaft eine multinationale Auswahl, sie wird nur dadurch zur nationalen Elite. Zum anderen ist ihr Trainer nicht autoritär, sondern wird als soziale Autorität geschätzt – und stammt im weiteren Sinn aus der Schule des DFB, in diesem Fall der Nationalmannschaft. Deren Antlitz hat sich ebenfalls gewandelt; sehr zum Unwillen so autoritätsgläubiger wie nationalistischer (Un-)Geister in diesem Land.

Mut ohne Klugheit ist nicht gescheit

Allerdings geht es hier wie dort darum, in der Gesellschaft Zielvorstellungen zu Werten weiterzuentwickeln. Beispiel Disziplin: An sich ist sie noch kein Wert. Ist sie aber mit Prinzipen verbunden, lohnt es sich, denen konsequent zu folgen. Beispiel Mut: Mut ohne Klugheit ist nicht gescheit.

Folgt aber eine Mannschaft den wohlverstandenen Prinzipien, wird sie selbstbewusst. Sie kann im Bewusstsein für sich selbst handeln. Das ruft Entschlossenheit und Zielstrebigkeit hervor. Alles zusammen weckt und stärkt die Bereitschaft, ja den Willen, herausragende Leistungen zu zeigen.

Als Tugend wird allgemein die Bereitschaft gesehen, nicht aufzugeben. Auch das findet sich im Fußball immer wieder. Bastian Schweinsteiger wurde dafür im WM-Finale 2014 gegen Argentinien weltweit bewundert. Sein Kampfgeist hatte auch nichts Martialisches, sondern stärkte auf geniale Weise den Teamgeist.

Wer darf die Fehler des anderen ausbügeln?

Denn der Teamgeist – siehe der FC Bayern – muss auch erst hergestellt werden, auf dass Einzelkönner mit ihrer individuellen Qualität gemeinsam Aufgaben lösen wollen. Oder wie es Thomas Müller meinte: dass sie sich im Team darüber streiten, wer die Fehler des anderen ausbügeln darf. Daran zeigen sich Respekt, eine wertschätzende Haltung und Bodenständigkeit.

Da Kommunikation nicht nur reden ist, sondern als Versuch definiert werden sollte, die Dinge gemeinsam anzugehen und zu schaffen, hat der DFB recht: Es geht um das Verstehen und Verstanden-Werden! Mit Hansi Flicks Ansprache, nicht in der Kabine, sondern die des Einzelnen, wuchs die Identifikation, aus der heraus Begeisterung entstand. Und Leistungsbereitschaft.

Kommunikation allein bedeutet noch nicht, dass die Erfolgschancen wachsen. Die Umsetzung ins tägliche Leben, die Offenheit, neues Wissen schnell aufzunehmen und in die Arbeits- wie in die Erlebniswelt zu integrieren, Fehler entsprechend transparent und rasch, aber doch geduldig vermittelnd zu korrigieren, können dann eine Gesellschaft formen: eine mit „Tugenden 2.0“. Deutsch zu sein ist allein noch keine.

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