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Die Deutsche Welle lässt Antisemitismusvorwürfe nunmehr extern untersuchen.

© Marius Becker/dpa

Die Deutsche Welle und ihre israelfeindlichen Partner: Die arabische Normalität passt oft nicht zu deutschen Geboten

Nicht nur Medien haben im Nahen Osten Probleme mit den Gesinnungen von lokalen Vereinen. Das zeigt die Grenzen wertebasierter Außenpolitik. Ein Kommentar.

Die Deutsche Welle (DW) hat den „gesetzlichen Auftrag, deutsche und europäische Sichtweisen in den internationalen Diskurs zu bringen“. Das ist schiefgelaufen: Das Online-Magazin „Vice“ hat recherchiert, dass die DW in Jordanien und Libanon mit Sendern kooperierte, die antisemitische und israelfeindliche Inhalte verbreiten. Mittlerweile hat die DW die Verbindung zum jordanischen Roya TV beendet und einen verschärften Ethikcode versprochen. Doch damit sollte die Debatte nicht enden.

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Die zweifelhaften Partner, mit denen der steuerfinanzierte Auslandssender DW zusammengearbeitet hat, mögen empören; überraschen sollten sie nicht. Es dürfte der DW schwer fallen, in Jordanien und vielen anderen Teilen der arabischen Welt Partner zu finden, deren Sicht auf Israel mit der offiziellen deutschen, von der Geschichte geprägten Haltung kompatibel ist.

Krasse Überschreitung der roten Linien

Das betrifft nicht nur die DW. Auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist auf lokale Partner angewiesen, und nicht immer teilen diese Partner alle Werte deutscher Außenpolitik. Das gilt zwar weltweit, ist in der arabischen Welt aber besonders heikel. Zum einen, weil Israel und Antisemitismus hierzulande sensible Themen sind, zum anderen, weil Medien, Aktivisten und Politiker in manchen arabischen Staaten die deutschen roten Linien so krass überschreiten.

Ein Beispiel dafür ist die BDS-Bewegung, zu deren Forderungen die Rückkehr sämtlicher palästinensischer Flüchtlinge und ihrer Nachkommen nach Israel zählt, womit die jüdische Bevölkerungsmehrheit dahin wäre. Der Bundestag hat BDS 2019 als antisemitisch eingestuft und die Regierung aufgefordert, keine Organisation zu fördern, die BDS unterstützt. Genau das aber tun nahezu alle palästinensischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), zumindest formal. Viele von ihnen erhalten trotzdem Förderung aus deutschen Quellen, allein schon, weil es vor Ort kaum Alternativen gibt.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Israel-Kritik oder Antisemitismus - zum eskalierenden Konflikt um die BDS-Bewegung.]

Gewiss besteht ein Unterschied zwischen passiver Sympathie für BDS und aktiver Verbreitung judenfeindlicher Stereotype. Wenn eine deutsche Organisation eine Frauenrechtsinitiative in Ramallah fördert, die vor Ort wertvolle Arbeit leistet und sich solidarisch mit BDS erklärt, gibt es dafür bessere Argumente als für die Partnerschaft mit Roya TV, das antisemitisch gefärbte Karikaturen an ein breites Publikum sendet. Doch wo verläuft die Grenze?

Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung weist solche Fälle auf

Viele palästinensische und arabische NGOs verwenden eine ähnliche Sprache wie Roya TV, wenn es um Israel geht. Addameer etwa, eine Organisation, die jahrelang Fördermittel von der Grünen-nahen Heinrich- Böll-Stiftung erhielt (und von Israel kürzlich mit fragwürdiger Begründung zur Terrororganisation erklärt wurde), bezeichnet Israels Führung als „Besatzungs- und Apartheitsregierung“ und wirft ihr „Genozid“ vor. Die Online-Nachrichtenplattform Dooz, von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung als Partner gelistet, bezeichnet Palästinenser, die im Kampf gegen Israel fallen, als „Märtyrer“. Es ließen sich mehr Beispiele finden.

Sollten deutsche Organisationen lokale Partner meiden, wenn sie in einem zentralen Punkt deutscher Außenpolitik eine grundlegend andere Haltung vertreten? Sollten sie sich auf eng zugeschnittene Projektarbeit beschränken, versuchen, auf den Partner Einfluss zu nehmen, oder pragmatisch ein Auge zudrücken? Außenministerin Annalena Baerbock hat eine „wertegeleitete Außenpolitik“ versprochen. Auch Entwicklungszusammenarbeit ist Außenpolitik. Der DW-Skandal zeigt, wie schnell dieser Anspruch zerschellen kann. Das rechtfertigt nicht die zu Recht kritisierten Kooperationen des steuerfinanzierten Auslandssenders. Doch es zeigt, wie nötig eine ehrliche Debatte über Rolle und Grenzen wertebasierter Außenpolitik ist – auch in der Entwicklungszusammenarbeit.

Mareike Enghusen

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