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Santiago Abascal, Chef der spanischen Vox

© AFP/Cesar Manso

Wahlerfolg der spanischen Nationalisten: Die Erben Francos ziehen in das Parlament ein

Die rechtspopulistische Vox schafft erstmals den Sprung in Spaniens Parlament. Das beruht zum Teil auch auf ihrem Franco-Kurs im spanischen Wahlkampf.

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Der 10. Juni verspricht ein emotionaler und einschneidender Tag in der Geschichte Spaniens zu werden. Dann nämlich soll der Leichnam des früheren Diktators Franco aus dem Tal der Gefallenen unweit der Hauptstadt Madrid exhumiert werden. „Fasst ihn nicht an“, schreien die einen. „Endlich fort mit ihm“, brüllen die anderen. Unversöhnlich stehen sich die Lager seit Jahrzehnten gegenüber. So weit konnte es nur kommen, weil sich das Land nach Francos Tod auf einen Pakt des Vergessens einigte.

Die alten Wunden schmerzen viele Spanier bis heute, weswegen die sozialistische Regierung den Weg zur Verlegung des Leichnams im letzten Sommer durchs Parlament peitschte. Franco soll nun in die Gruft seiner Familie auf einem außerhalb Madrids gelegenen Friedhof geschafft werden, wo er weniger Aufmerksamkeit generiert, keine öffentlichen Kosten verursacht und den Hinterbliebenen seiner Opfer Frieden verschaffen soll.

Dazu war eine Änderung des sogenannten Gesetzes der Historischen Erinnerung nötig, das bislang eine Exhumierung nicht erlaubte. Die konservative Volkspartei PP und die liberal-bürgerliche Ciudadanos enthielten sich bei der Abstimmung, weil sie das Thema offiziell nicht für dringlich hielten, in Wahrheit aber fürchteten, als Faschisten gebrandmarkt zu werden, nur wenige Monate vor den Neuwahlen. Lautstark gegen die Ausgrabung wetterte damals deshalb nur die rechtspopulistische Vox. Die war zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht im Parlament vertreten, nutzte den Kampf um Francos Erbe aber dazu, sich im Dezember zunächst ins andalusische Regionalparlament zu katapultieren – und am Sonntag zog sie erstmals auch in das nationale Parlament ein.

Der Erfolg von Vox beruht zum Teil auf ihrem Franco-Kurs im Wahlkampf. Offiziell lehnt die Partei dessen Politik zwar ab. Dennoch ließ unter anderem ihre Kandidatenliste auf eine ideologische Nähe zur Diktatur schließen. Zwei ehemalige Generäle schickte Vox ins Rennen, die mit rund 200 Gleichgesinnten ehemaligen Militärangehörigen im Sommer ein Manifest unterschrieben hatten, in dem die Entscheidung der Exhumierung als eine „infame Kampagne“ bezeichnet wurde, die die Absicht verfolge, Franco zu diskreditieren.

Vox-Chef Abascal ist optimistisch, dass Franco nicht ausgegraben wird

Eines der politischen Ziele der Partei ist zudem die Umkehrung des Gesetzes der Historischen Erinnerung. Denn es geht darin nicht nur um Francos Leichnam. Auch die Entschädigung von Opfern und deren Familien wird damit ermöglicht. Anfang Februar hatte die Regierung zudem 656 Kommunen angewiesen, „umgehend alle Wappen, Tafeln, Schilder und andere Objekte“ aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, die an die Diktatur erinnern. Auch sollen 1171 Straßen und Plätze im Land, die Anfang dieses Jahres nach Regierungsmitgliedern aus der Franco-Ära benannt sind, neue Namen bekommen.

Vox-Chef Santiago Abascal äußerte nach der Wahl noch einmal seinen Optimismus, dass Franco doch nicht ausgegraben wird, und bezeichnete das Vorhaben als „Regierungspropaganda“. Regierungschef Sanchez nutze die Spanier für seine Ideologie als Geiseln. Er solle sich lieber um Themen wie Einwanderung oder die Eindämmung katalanischer Unabhängigkeitsbestrebungen kümmern, empfahl er dem Premierminister. Doch mit dem Wahlsieg der sozialdemokratischen PSOE sind die Chancen gewachsen, dass es wirklich zu einer Verlegung Francos kommen wird. Nur der Oberste Gerichtshof könnte die Verlegung des Leichnams noch verhindern.

Marcel Grzanna

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