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Der Klimawandel sorgt für Extremwetterereignisse, hier am ausgetrockneten Rheinufer in Düsseldorf.

© Martin Gerden/picture alliance / dpa

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: Die Erderwärmung kommt nicht erst - sie ist längst im Gange

Es geht nicht nur ums Wetter, der Klimawandel ist real. Deshalb müssen alle Ministerien ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ein Gastbeitrag der Bundesumweltministerin.

Dieser Sommer hat schöne Seiten. Ausgedehnte Schwimmbadbesuche, lange Abende auf dem Balkon, geselliges Treiben draußen in Cafés oder in den Parks - so macht das Leben Spaß. Und zugleich realisieren wir alle: Die große Hitze und die Trockenheit sind spürbare Boten des Klimawandels. In vielen Teilen Deutschlands und Europas ereignen sich zurzeit kleine bis mittlere ökologische Katastrophen. Bei mir zu Hause in Münster ist der Aasee gekippt, weil zu wenig Sauerstoff im Wasser geblieben ist. 20 Tonnen tote Fische mussten am Ufer eingesammelt werden. Vielerorts sind Waldbrände nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Die Ernte ist zum Teil dramatisch schlecht. Wiesen sind graubraun statt grün, auf Flüssen können keine Schiffe mehr fahren, weil sie zu wenig Wasser führen, und Kraftwerke haben Probleme, weil ihnen das Kühlwasser ausgeht.

Wir alle ahnen: Hier geht es nicht einfach nur ums Wetter, wie uns Leugner des Klimawandels einreden wollen. Der Klimawandel kommt nicht erst - die Erderwärmung ist längst im Gange. Die fünf heißesten Sommer seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnung vor rund 140 Jahren waren alle nach 2010. Es ist aber nicht nur die Hitze und Trockenheit. Im vergangenen Jahr hatten wir viele Starkregenereignisse (ein relativ neues Wort), mit Überschwemmungen und Hochwassern. Fakt ist: Die Erderwärmung führt zu einer Zunahme von Extremwetterereignissen. Sie führt nicht nur zu Hitze, sondern auch zu Trockenheit, Unwettern, Hagel, Stürmen. Bei uns erwachsen daraus schon zunehmende Probleme, in anderen Teilen der Welt werden sie existenziell.

Nicht von kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen leiten lassen

Das ist doch alles nicht mehr normal! Tut doch endlich was! Das sagen mir Bürgerinnen und Bürger so ziemlich jeden Tag. Und ja, auch ich will, dass wir alle etwas tun. Klimaschutz müssen alle leisten. Nicht allein das Umweltministerium. Gefragt sind mehr denn je die Mitverursacher des Klimawandels: Der Verkehr. Die Landwirtschaft. Die Industrie. Die Energieerzeuger. Die Gebäudewirtschaft. Und die dafür jeweils verantwortlichen Ministerien. Spätestens seit diesem Sommer ist klar: Die bisherigen taktischen Spielchen auf Zeit sind unverantwortlich. Handeln wir! Wir dürfen unser Tun nicht von kurzfristigen und egoistischen wirtschaftlichen Interessen leiten lassen. Klimaschutz ist Verantwortung für alle.

Es gibt bereits den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung, der den Weg aufzeigt, wie Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen umsetzen will. Danach müssen wir in allen Bereichen dafür sorgen, dass Treibhausgase als Hauptgrund für die Erderwärmung bis 2050 nahezu vollständig eingespart werden. Noch nehmen nicht alle ihre Verantwortung engagiert und mutig genug wahr. Im Verkehr zum Beispiel mussten laut Kabinettsbeschluss von 2014 bis 2020 zehn Millionen Tonnen CO2-Ausstoß eingespart werden. Tatsächlich wurden noch mehr Treibhausgase ausgestoßen als in den Jahren zuvor. Die Kanzlerin spricht deshalb vom Sorgenkind Verkehr in Sachen Klimaschutz. Recht hat sie. Sorge machen leider auch die anderen Bereiche.

Die Bundesregierung wird im nächsten Jahr ein Klimaschutzgesetz verabschieden. Der Entwurf dafür wird derzeit im Bundesumweltministerium erarbeitet. Damit werden wir auch unsere europäischen Minderungsziele national verankern und die notwendigen Maßnahmen rechtlich umsetzen. Zudem wird das Gesetz klar regeln, wie viel CO2-Ausstoß - jährlich abnehmend - insgesamt und verteilt auf die verschiedenen Bereiche Verkehr, Industrie, Energiewirtschaft, Gebäude und Landwirtschaft noch zulässig ist. Wir haben in der Koalition verabredet, dass alle Ministerien bis Ende dieses Jahres konkret formulieren, wie sie zum Schutz des Klimas beitragen und ihr jeweiliges Ziel für 2030 erreichen wollen. Hier darf es keine Verzögerung mehr geben. Und wer säumig bleibt, wird am Ende zahlen müssen - so soll die Mechanik im neuen Gesetz sein. Jedes Ministerium, das den Pflichten für seinen Bereich nicht nachkommt, muss für die finanziellen Konsequenzen einstehen. Ich hoffe sehr, dass die Maßnahmen, die meine Kolleginnen und Kollegen vorlegen, ausreichen werden. Unzureichende Maßnahmen, die erkennbar erneut die Ziele reißen, werde ich nicht akzeptieren.

Deutschland ist leider nicht mehr Vorreiter im Klimaschutz

Die großen Aufgaben sind klar, wir wissen, was zu tun ist: Wir müssen aus der Kohle aussteigen und unseren Energiebedarf durch Erneuerbare Energien decken. Das heißt beispielweise, dass der Bundeswirtschaftsminister endlich die längst vereinbarten Sonderausschreibungen für die Windenergie auf den Weg bringen muss. Wir brauchen Schienen statt Straßen, mehr Öffentlichen Nahverkehr und Pedelecs und Lastenräder. Dass Autos in Zukunft sparsamer und elektrisch angetrieben sein müssen, versteht sich von selbst. Wir müssen Gebäude endlich energieeffizient machen. Die Landwirtschaft muss sich umstellen - zur Anpassung an den Klimawandel, aber auch, um ihren Treibhausgasausstoß zu senken.

Deutschland drohen hohe Zahlungen, um den europäischen Beitrag zum Pariser Abkommen zu erfüllen, wenn das alles nicht passiert. Ich halte es für klüger, das Geld jetzt in Maßnahmen zu stecken, die Deutschland moderner machen und viele neue und gute Arbeitsplätze schaffen. Deutschland war lange Vorreiter im Klimaschutz. Zurzeit sind wir es leider nicht mehr. Treffen wir jetzt Entscheidungen, für unsere Kinder und Enkel. Als Umweltministerin und als Sozialdemokratin ist es mein Ziel, dass wir den Abzweig nehmen, der das Leben der Menschen zum Positiven verändert. Ich will niemandem erziehen, ich will Menschen mitnehmen. Auf dem Weg in ein modernes Industrieland mit guten Arbeitsplätzen und sauberer Luft. Ich will nicht verharren in einer schwarz-weiß Nostalgie. Unsere Alternativen sind nicht rauchende Schlote oder romantische Dauerferien auf dem Biobauernhof. Wir sind eine der größten Ingenieursnationen dieser Erde. Ich will, dass wir diese Kompetenz in den Dienst der Menschheit stellen und dass wir damit Jobs und Wohlstand für Deutschland und Europa sichern. Und ich will, dass es dabei gerecht zugeht.

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Svenja Schulze

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