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Politik: Die Koalition streitet – bis zum Bruch?

Grünen-Fraktionsvize schließt Rückzug der eigenen Minister nicht aus / Kanzler macht Partnern Vorwürfe

Berlin - Der rot-grünen Koalition droht noch vor der angestrebten Neuwahl im Herbst der Bruch. Beide Partner lieferten sich am Freitag einen heftigen Streit über die Reform der Unternehmen- sowie der Erbschaftsteuer. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) warf den Grünen nach Angaben von Regierungssprecher Bela Anda vor, das zentrale Projekt des Jobgipfels zu Fall gebracht zu haben. Die Grünen werteten dies als Versuch des Kanzlers, sie zum Sündenbock für das Scheitern der Regierung zu stempeln.

Grünen-Politiker sprechen inzwischen offen über einen möglichen Rückzug ihrer Kabinettsmitglieder. „Ob unsere Minister im Kabinett bleiben sollen, hängt natürlich auch von der Art der Vertrauensfrage ab“, sagte Fraktionsvize Reinhard Loske dem Tagesspiegel. Fraktionschefin Krista Sager sagte hingegen zu solchen Überlegungen: „Das ist Quatsch.“ Ein führender Parteilinker aber nannte den „Abzug der Minister eine Option, die man sich aufsparen muss. Wenn es eine inakzeptable Provokation des Kanzlers gibt, sollte man scharf reagieren.“

Anda hatte den Streit im Namen Schröders eskalieren lassen. „Der Bundeskanzler bedauert, dass sich maßgebliche Führungsleute der Grünen entschieden haben, der Senkung der Steuern in der zweiten und dritten Lesung des Bundestags nicht mehr zuzustimmen“, sagte er und berief sich auf Aussagen der Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel und der Fraktionsspitze. Scheel sprach von einer „Unverschämtheit“. „Die Grünen betreiben keine Blockadepolitik, sie sorgen dafür, dass es keinen Rückfall in die Schuldenpolitik gibt.“ Ausgangspunkt der Krise ist ein Gespräch von Sager und SPD-Parteichef Franz Müntefering am Donnerstag. Dabei sagte Sager nach eigenen Angaben mit Blick auf die geplante Bundestagsabstimmung am 1. Juli, die Grünen stünden zum gemeinsamen Ziel, die Unternehmensteuer zu senken. Aber dies müsse solide gegenfinanziert werden. Solche Forderungen hatten auch viele SPD-Abgeordnete und die SPD-Linke erhoben. Deren Sprecher Michael Müller hatte noch am Donnerstag gesagt, Schröder habe eine Gegenfinanzierung zugesagt.

Die Grünen-Führung vermutet ein gezieltes Vorgehen des Kanzlers: „Wir glauben, dass Schröder die Grünen vor dem 1. Juli aus der Regierung schmeißen will, um die Vertrauensfrage verfassungsfest zu machen.“ Hintergrund ist Sorge in der SPD, Bundespräsident Horst Köhler könnte sich weigern, das Parlament aufzulösen, sollte es Zweifel am Misstrauen der Koalition gegen den Kanzler geben. Die Grünen argwöhnen, Schröder wolle die Regierung an ihrem vermeintlichen Widerstand scheitern lassen. So bleibe es ihm erspart, mit der Vertrauensfrage zu dokumentieren, dass die reformkritische Linke in der SPD-Fraktion die Ursache seines Scheiterns sei. Neue Koalitionsgerüchte nährte der Satz von Müntefering im „Spiegel“, eine große Koalition sei „keine Sünde“. Das aktuelle Politbarometer sieht jedoch derzeit eine klare Mehrheit für eine Koalition aus Union und FDP. Zum ersten Mal wünschen sich zudem mehr Deutsche Angela Merkel im Kanzleramt als Gerhard Schröder.

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