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Politik: Die Odyssee der „Clemenceau“

Eigentlich wollte die französische Marine den ausrangierten Flugzeugträger „Clemenceau“ in einer indischen Werft verschrotten lassen. Jetzt muss Präsident Jacques Chirac das abgetakelte Kriegsschiff aber wegen zu hohen Asbestrückständen zurückholen – vorerst letztes Kapitel einer peinlichen Geschichte.

Eigentlich wollte die französische Marine den ausrangierten Flugzeugträger „Clemenceau“ in einer indischen Werft verschrotten lassen. Jetzt muss Präsident Jacques Chirac das abgetakelte Kriegsschiff aber wegen zu hohen Asbestrückständen zurückholen – vorerst letztes Kapitel einer peinlichen Geschichte. Am Mittwoch ordnete Chirac an, dass die Überreste des Schiffs nicht wie geplant im indischen Hafen Alang ausgeschlachtet, sondern wieder in französische Hoheitsgewässer gebracht werden. Nach Angaben von Verteidigunsministerin Michèle Alliot-Marie soll die „Clemenceau“ nach Brest geschleppt werden. Chirac wird am Sonntag in New Delhi zu einem Staatsbesuch erwartet – da passte der internationale Streit um das Schiff nicht. Die guten Beziehungen zwischen Frankreich und Indien sollen nicht vergiftet werden.

Ein Urteil des obersten Verwaltungsgerichts in Paris ermöglichte es Chirac, dem juristischen Durcheinander ein Ende zu setzen. Die Richter schlossen sich am Mittwoch dem Standpunkt des Regierungsvertreters Yann Aguila an. Er hatte empfohlen, „die Entscheidung, die ,Clemenceau’ nach Indien zu transferieren, zu suspendieren“, weil seiner Ansicht nach „die Angaben des Verteidigungsministeriums die Zweifel am Vorhandensein bedeutender Mengen von Asbest nicht beseitigen“.

Im Rumpf der „Clemenceau“ befinden sich tonnenweise gesundheits- und umweltschädliche Gifte, vor allem beträchtliche Mengen von Krebs erzeugendem Asbest. Umweltschutzverbände hatten deshalb gefordert, dass Frankreich die Entsorgung des ausgemusterten Kriegsschiffs übernehmen müsse, und fühlen sich nun als Sieger.

Schon ein erster Versuch des Verteidigungsministeriums, das Asbestproblem möglichst billig loszuwerden, war 2003 kläglich gescheitert. Damals wurde die „Clemenceau“ einer spanischen Firma zum Metallwert verkauft. Statt zur vertraglich vereinbarten spanischen Endstation wurde das Wrack aber in Richtung Türkei geschleppt. Dort sollten Auftragnehmer den Risikojob übernehmen. Nach diesem Vertragsbruch musste die französische Marine ihr einstiges Schmuckstück wieder in ihren Hafen Toulon eskortieren, wo die Firma Technopur die erste Phase der Asbestentsorgung übernahm. Den Rest sollten die Arbeiter im Schiffsfriedhof von Alang im indischen Staat Gujarat erledigen. Diese verfügen jedoch weder über das Knowhow noch über die nötigen Schutzvorkehrungen beim Umgang mit Asbest. Das Asbestproblem stellte auch die indischen Behörden vor ein Dilemma. Ein Verbot im Interesse der Gesundheit der Wrackarbeiter wäre ein Präzedenzfall gewesen. Doch stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, denn die indischen Verschrottungsfirmen erwarten in den kommenden Jahren Hunderte von ausrangierten Frachtern und Kriegschiffen.

Mit der Rücknahme des Flugzeugträgers ist die Debatte in Frankreich aber nicht zu Ende. Die Marine und die Firma Technopur liegen im Streit: In Toulon waren offiziell 115 Tonnen Asbest entfernt worden, 30 Tonnen davon aber sind angeblich spurlos verschwunden.

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