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Noch nie war das Rennen um die Regierungsbildung zwischen den Konservativen und den Piraten in Island so knapp. Am Samstag stimmen die Inselbewohner bis Mitternacht ab.

© dpa

Parlamentswahl in Island: Die Piraten wollen die Insel entern

Nach den "Panama Papers", Korruption und Misswirtschaft könnte die Partei ein Gewinner der Wahl am Samstag werden. Dem Land droht ein Chaos bei der Regierungsbildung.

Ein halbes Jahr nach den Enthüllungen der "Panama Papers" wählen die Isländer am Samstag vorzeitig ein neues Parlament. Bis Mitternacht können rund 246.500 Menschen auf der Vulkaninsel im Nordatlantik ihre Stimme abgeben. Auf starke Zuwächse kann die Piratenpartei hoffen, die erstmals in einer Regierung vertreten sein könnte.

Viele Isländer wünschen sich Reformen, mehr Geld für Krankenhäuser und Universitäten und weniger korrupte politische Institutionen. Das Vertrauen der Wähler hatten Wirtschaftskrise und der Zusammenbruch der Banken 2008 zerstört. Gleichzeitig hat der Tourismus die Insel im Nordatlantik nach der schweren Krise wieder zum Boomland gemacht. Selbst abgelegene Fischerdörfer sind gut besucht.

Der Name des Regierungschefs war in den "Panama Papers" aufgetaucht

Der Regierung nützt das kometenhafte Wachstum nichts: Bei der Neuwahl am heutigen Samstag droht der Mitte-Rechts-Regierung aus Konservativen und Liberalen eine Niederlage. Das hat auch mit den "Panama Papers" zu tun, die im April die größten Proteste in der Geschichte des Landes mit seinen 330 000 Einwohnern ausgelöst hatten. Weil der rechtsliberale Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson nicht nur Millionen in einer Offshore-Firma versteckt, sondern auch auf der Gläubigerliste der Krisenbanken gestanden haben soll, musste er gehen.

In letzten Umfragen vor der Wahl lag die konservative Unabhängigkeitspartei mit 21,9 Prozent knapp vorn. Damit reicht es aber nicht mehr zu einer Zweier-Koalition mit den Rechtsliberalen, die derzeit bei zehn Prozent liegen. "Es braucht Zeit, das Vertrauen wiederzugewinnen", sagt Birgir Armansson, Mitglied der Unabhängigen. Die Partei war jahrzehntelang der Fels der politischen Landschaft. Kritikern zufolge bleibt mit ihr zu viel beim Alten. So spielt das Misstrauen der Isländer in politische Institutionen nun den Piraten in die Hände.

Die Piraten wollen das Referendum von 2012 umsetzen

2012 hatte eine Mehrheit der Isländer in einem Referendum für neue Regeln in der Verfassung abgestimmt – die von den Bürgern erarbeitet wurden und als Zeichen des Neuanfangs nach der Krise galten. Doch das Projekt liegt auf Eis. Es voranzutreiben, ist das wichtigste Vorhaben der Piraten. Die isländische Künstlerin und Piratin Sara Oskarsson prangert als Gesicht der über Facebook organisierten Protestgruppe "Jaeja" unterfinanzierte Krankenhäuser und Korruption in der Politik an. Damit sich endlich etwas ändert, gibt es für sie nur eine Lösung: die neue Verfassung. "Sie ist ein Schritt dahin, die Dinge transparenter zu gestalten", sagt sie.

Obwohl die Piraten (19,1 Prozent) um die inoffizielle Chefin Birgitta Jónsdóttir die Anzahl ihrer Sitze im Parlament verfünffachen könnte, bräuchte sie als zweitstärkste Kraft für eine Mehrheit mindestens drei Partner.
Minderheitsregierungen sind in Island allerdings extrem selten. Beobachter fürchten deshalb, dass sich die Verhandlungen über eine neue Regierung nach der Wahl lange hinziehen könnten. "Wenn ich ehrlich bin, sehe ich gerade nach Spanien, wo es ein Jahr lang eine Regierungskrise gab", sagt Armansson. "Wir könnten in Island vor einer ähnlichen Situation stehen." (dpa)

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