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Politik: Die Toten der Nachkriegszeit

Seit Tagen gibt es im Irak wieder heftige Kämpfe. Die Amerikaner fürchten das Entstehen einer neuen Guerilla-Bewegung

Der Irak-Krieg ist vorbei, gestorben wird weiter. Das offizielle Ende der Kampfhandlungen verkündete US-Präsident George W. Bush am 1. Mai. Bis dahin waren bei der gesamten Invasion 138 amerikanische Soldaten ums Leben gekommen. Stolz wurde diese Zahl als Beweis für die Überlegenheit und Effizienz der US-Armee gewertet. Seit dem 1. Mai sind jedoch schon mehr als vierzig amerikanische Soldaten gestorben. Die „Washington Post“ titelte am Dienstag, US-Soldaten würden mit wachsendem Widerstand konfrontiert. In der „New York Times“ hieß es am selben Tag, die Zahl der tödlichen Angriffe auf G.I.s steige.

Das liest sich wie der Auftakt zu den neuen, heftigen Gefechten, die in den vergangenen zwei Tagen nordwestlich von Bagdad geführt wurden. Dabei wurden mindestens siebzig Iraker getötet. Unter anderem war eine amerikanische Patrouille von einer Gruppe irakischer Angreifer mit Panzerfäusten beschossen worden. Mit Kampfhubschraubern und Panzern nahm die US-Armee die Verfolgung auf. Dabei wurden am Freitag 27 Iraker getötet. In der Nacht zu Freitag hatte die US-Armee ein angebliches „Terroristen-Ausbildungslager“ mit Bomben und Raketen angegriffen. Dort seien „antiamerikanische Extremisten“ und „andere subversive Elemente“ trainiert worden, hieß es zur Begründung. Nach Ende der Gefechte, so ließ es das US-Zentralkommando verlauten, seien mehr als siebzig Panzerfäuste und Maschinengewehre sichergestellt worden. Genaue Angaben über die Opfer wurden nicht gemacht. Die Operation sei „sehr blutig“ gewesen, sagte ein US-Offizier lediglich.

Im Zentrum des Irak scheint sich der Widerstand gegen die amerikanische Besatzung tatsächlich zu organisieren. Relativ ruhig ist es in dem mehrheitlich von Schiiten bewohnten Süden des Landes sowie im kurdischen Norden. Doch in einem Radius von etwa 200 Kilometern rund um Bagdad ist die Lage angespannt. Dort formiert sich nach amerikanischen Angaben eine Guerilla-Bewegung. Sie besteht aus ehemaligen Angehörigen der Baath-Partei, Sympathisanten von Saddam Hussein, Geheimdienstoffizieren, paramilitärischen Kräften und „militanten Kräften“ aus Syrien und anderen arabischen Ländern.

Die Angriffe sind nicht spontan, sondern geplant und koordiniert. Sie würden in einem „militärtypischen Stil“ durchgeführt, heißt es. Allerdings seien sie nicht zentral gesteuert. „Diese Kräfte verfügen nicht über ein landesweites Kommandozentrum“, sagt General David McKiernan, der Oberkommandierende der etwa 140 000 amerikanischen Soldaten. Allerdings wird eingeräumt, dass Gerüchte über Saddam Hussein, der angeblich seine Rückkehr plane, den Widerstandswillen stärken würden. Zum Teil werden solche Gerüchte von ehemaligen Hussein-Gefolgsleuten gezielt gesteuert. „Alles wäre einfacher“, sagt auch der oberste amerikanische Ziviladministrator im Irak, Paul Bremer, „wenn wir Husseins Leiche fänden oder ihn selbst gefangen nehmen könnten.“

Ein Ende der Kampfhandlungen ist nicht abzusehen. Am Freitag wurden innerhalb von 24 Stunden drei weitere Angriffe auf amerikanische Soldaten gemeldet. Anfang der Woche wiederum hatte die US-Armee bei einer großen Militäraktion auf einer Tigris-Halbinsel bei Balad fast 400 mutmaßliche Anhänger der entmachteten Baath-Partei verhaftet. Sie werden seitdem intensiv verhört. Die neue Devise heißt: Noch härter durchgreifen und jeden Widerstand bereits im Keim ersticken.

Nach US-Medienberichten durchkämmte schon vor dem Irakkrieg eine geheime US-Eliteeinheit das Land vergeblich nach Massenvernichtungswaffen. Wie die US-Zeitung „Washington Post“ berichtete, fand die Task Force 20 „keine funktionierenden nichtkonventionellen Rüstungsgüter, Langstreckenraketen oder Raketenteile, Lager chemischer oder biologischer Rüstungsgüter oder Technologie für die Kernanreicherung einer Atomwaffe“. Unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet die Zeitung, die Einheit habe zu Beginn ihrer Mission „zahlreiche vielversprechende Berichte“ nach Washington abgesetzt. Diese Berichte hätten US-Präsident George W. Bush und seine Berater optimistisch gestimmt, dass letztlich doch noch Massenvernichtungswaffen in dem Land gefunden würden.

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