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„Die Wähler wollen diese Partei“: Bundeszentrale für politische Bildung warnt vor Verharmlosung des AfD-Erfolgs
Was sind die Gründe für den derzeitigen Höhenflug der AfD? Der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung sieht darin mehr als nur Protest.
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Seit Wochen schwebt die AfD im Umfragehoch, kratzt an der 20-Prozent-Marke und liegt im aktuellen Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel sogar vor der SPD. Während sich die anderen Parteien gegenseitig vorwerfen, die Verantwortung für diese Entwicklung zu tragen, kommt nun eine deutliche Warnung von der Bundeszentrale für politische Bildung. Deren Präsident Thomas Krüger kritisiert unter anderem gängige Erklärungsmuster für den jüngsten Wahlerfolg der AfD bei einer Landratswahl in Thüringen.
„Ich warne davor, die Wahl der AfD noch als Protest zu begreifen“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Das sei eine Verharmlosung. „Die Wählerinnen und Wähler wollen diese Partei. Darin besteht der Ernst der Lage.“
In Teilen der Gesellschaft hätten sich „bestimmte Positionen etabliert, die nicht hinnehmbar und mit demokratischen Prinzipien unvereinbar sind“, urteilte Krüger. Die AfD sei „ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv“.
Wir dürfen die Sache nicht laufen lassen und Radikalisierungen billigend in Kauf nehmen.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
Hinter dem Etikett „typisch ostdeutsch“ verberge sich „der Versuch der Nicht-Ostdeutschen, das Phänomen zu erklären“, kritisierte Krüger, der selbst aus Thüringen stammt. „Und dieses Phänomen besteht darin, dass relativ gut situierte Bürgerinnen und Bürger in einem sehr kleinen Landkreis der Meinung sind, dass rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Positionen von einer vorrangig von Westdeutschen repräsentierten und in Teilen rechtsextremen Partei salonfähig gemacht werden.“
Im Landkreis Sonneberg in Süden von Thüringen hatte am Sonntag vergangener Woche der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Stichwahl um das Landratsamt gewonnen. Es ist das erste Mal, dass ein AfD-Politiker einen Landratsposten bekommt. Derzeit unterzieht allerdings das Landesverwaltungsamt Sesselmann noch einem sogenannten Demokratiecheck. Die Behörde prüft dabei, ob der AfD-Politiker als Landrat geeignet ist.
Krüger sagte zu der Entscheidung in Sonneberg, er kenne „viele Ostdeutsche, die da nicht mitgehen. Ich würde sogar sagen, dass diese Wahl weder typisch ostdeutsch noch typisch deutsch ist“.
Der Behördenchef rief dazu auf, „den Common Sense in der Mitte der Gesellschaft zu stärken“. Hier sehe er enorme Herausforderungen. „Denn die Institutionen des demokratischen Rechtsstaates sind in bestimmten Teilen dieser Republik abwesend und stehen nicht hinreichend als Gesprächspartner zur Verfügung.“ Dazu zählten etwa Kommunalverwaltungen in bestimmten Regionen oder Parteien.
Krüger forderte insgesamt mehr Einsatz: „Wir dürfen die Sache nicht laufen lassen und Radikalisierungen billigend in Kauf nehmen“, sagte er.
Kritik an Bildungspolitik in Thüringen
Krüger rügte zudem den Mangel an politischer Bildung in Thüringens Schulen scharf. „Ich finde es bemerkenswert, dass ausgerechnet die Linke in Thüringen mit ihrem Bildungsminister Helmut Holter das Bundesland repräsentiert, in dem die politische Bildung besonders stiefmütterlich behandelt wird“, sagte er.
„Ein neuer Bildungsmonitor der Universität Bielefeld hat ergeben, dass Thüringen bei der politischen Bildung in der Schule an letzter Stelle steht. Stattdessen gibt es auf dem Stundenplan Astronomie. Auf in kosmische Räume, während es im Alltag politisch gerade um alles geht.“ Das sei nicht akzeptabel.
Krüger fügte hinzu: „Dass ausgerechnet die Linkspartei, die die kritische Kompetenz gegenüber der kapitalistischen Gesellschaft großschreibt, bei der politischen Bildung so daneben liegt, finde ich erstaunlich.“
SPD-Chef Klingbeil fordert mehr Bürgernähe
SPD-Chef Lars Klingbeil sieht mehr Bürgernähe der Politikerinnen und Politiker als ein Mittel gegen das Umfragehoch der AfD. „Ich glaube, wir brauchen drei Dinge. Erstens: gute Politik, die die Alltagsprobleme der Menschen anpackt.“
Die Themen seien Löhne, Wohnen, Rente und bezahlbare Energie, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Zweitens: einen politischen Stil, der den Leuten nicht erklärt, wie sie sein sollen, sondern ernst nimmt, was sie umtreibt. Und drittens: öfter mal raus aus Berlin und mit den Menschen im ganzen Land reden. Wir dürfen nicht „die da in Berlin“ sein.“
Auf die Frage, ob die SPD zu viel übers Gendern und zu wenig über die konkreten Probleme der Menschen rede, sagte Klingbeil: „Also der Einzige, den ich kenne, der ständig übers Gendern redet, ist Friedrich Merz. Diese unnützen Debatten auf Nebenschauplätzen stärken am Ende nur die, die verächtlich auf unsere Gesellschaft gucken.“ (lem)
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