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Politik: Die weißen Masken - ein psychologischer Schutzschild

Merkwürdig hell leuchten sie dieser Tage von vielen Fotos aus der Krisenregion: blütenweiße Masken auf Mund und Nase von Männern mitten in den Hilfe suchenden Vertriebenen aus dem Kosovo.Nötiger Schutz für die Sicherheitskräfte vor Krankheiten, die sich bereits ausbreiten?

Merkwürdig hell leuchten sie dieser Tage von vielen Fotos aus der Krisenregion: blütenweiße Masken auf Mund und Nase von Männern mitten in den Hilfe suchenden Vertriebenen aus dem Kosovo.Nötiger Schutz für die Sicherheitskräfte vor Krankheiten, die sich bereits ausbreiten? Keinesfalls, sagt Andreas Manger von der Arbeitsgruppe Katastrophenmedizin der Universität Tübingen.Gesundheitlichen Schutz können diese Masken nicht bieten: "Der Mundschutz hält weder Bakterien noch Viren ab", sagt Andreas Manger.Nach Ansicht des Mediziners haben "die Soldaten wohl einfach Angst, und glauben, sie könnten sich damit schützen.Vielleicht ist es auch Hysterie." Auch gegen den Geruch, "der ziemlich unangenehm ist", können die Masken nichts ausrichten."Den müssen sie auch mit den Masken ertragen."

Manger fügt hinzu: "Wir Ärzte tragen die Masken im Operationssaal übrigens auch nicht, um uns vor irgendetwas zu schützen, sondern damit keine Keime in die offene Wunde des Patienten gelangen." Allerdings ist selbst dieser Effekt neueren Studien zufolge fragwürdig.Demnach suchen sich die Keime "rechts und links" des Mundschutzes ohnehin ihren Weg.

Andreas Manger sieht darin, daß die Sicherheitskräfte Mundschutz und Handschuhen anlegen, eine Art psychologischen Schutzschild: "Es wirkt, als ob sie die Flüchtlinge aus dem Kosovo als einen Fremdkörper ansehen, gegen den sie sich am liebsten mit einem Ganzkörperkondom schützen würden."

Der Tübinger Mediziner, der sich intensiv mit Gesundheitsrisiken in Flüchtlingslagern beschäftigt hat, kritisiert im Zusammenhang mit der Hilfe für die Vertriebenen aus dem Kosovo die militärisch und politisch Verantwortlichen.Hilfsmaßnahmen hätten längst vorbereitet werden können, es fehlten Konzepte."Als sich die ersten Leute mit Beginn der NATO-Luftschläge auf den Weg machten, war erkennbar, daß viele Menschen folgen würden", so Manger.Zu Beginn der Militäraktion habe es "zu wenig Raum für humanitäre Hilfe" gegeben.Dabei gebe es genügend Instrumente, "die die Vereinten Nationen auch vorhalten," um innerhalb von zwei, drei Tagen zu reagieren."Da muß man nicht warten, bis Bundeswehrsoldaten oder Amerikaner Zeltlager bauen." Offenbar hätten sich "die Militärs nicht in die Karten gucken lassen" wollen, mutmaßt der Mediziner.Dadurch aber, so sein Vorwurf "ist die Zeitverzögerung entstanden".

Jetzt ist es nach Ansicht des Arztes vordringlich, nicht riesige Zeltlager mit Zehntausenden Menschen einzurichten.Zudem müßten in den Auffanglagern für die Flüchtlinge möglichst schnell Latrinen gebaut und diese auch gut über die Lager verteilt werden.Lange Wege, so die Erfahrung Mangers, schaffen erschöpfte Menschen meist nicht.Die Seuchengefahr nehme angesichts der Umstände ohnehin mit jedem Tag zu."Wir müssen wohl nur zuwarten," sagt Manger.

INGRID MÜLLER

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