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Politik: Dreier-Gipfel will Superkommissar

Schröder, Chirac und Blair: Vizepräsident der EU-Kommission soll weitgehende Wirtschaftskompetenzen haben

Berlin. Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen in Brüssel den Posten eines Vize-Kommissionspräsidenten für wirtschaftliche Reformen schaffen. Dies fordern Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Präsident Jacques Chirac und Premierminister Tony Blair in einem Brief, den sie beim Dreier-Gipfel der größten EU-Staaten am Mittwoch in Berlin unterschrieben. Der „Superkommissar“ soll die Arbeit verschiedener Ressorts koordinieren und die in Lissabon 2000 formulierten Wachstums- und Beschäftigungsziele der EU voranbringen. Demnach soll Europa bis 2010 der wettbewerbsstärkste Wirtschaftsraum der Erde werden.

Konkret verlangten die drei Staats- und Regierungschefs von der EU „eindeutige Prioritäten zugunsten von Wachstum und Beschäftigung“, so Schröder. Chirac forderte, Europa müsse „viel stärker in Bildung und Forschung investieren“. Blair betonte, alle nötigen Sozialreformen seien nur ein Mittel, um Europas Wohlstand unter den Bedingungen einer „völlig veränderten Weltwirtschaft“ zu erhalten.

Beim Urheberrecht, bei Unternehmensgründungen und bei der Verfügbarkeit von Risikokapital sollen Wachstums-Hürden beseitigt werden. Schröder sprach sich für eine „entschiedene Politik der Innovation“ aus. Angesichts des „rapiden Alterns“ in ganz Europa sei nur so „Wohlstand und Gerechtigkeit als das europäische Modell“ überlebensfähig. Blair verlangte zu diesem Zweck europäische Regeln, die nicht länger „bremsen und behindern“. Chirac rügte, bislang sei die Handelspolitik der EU „nicht koordiniert und widersprüchlich“. Ihren gemeinsamen Brief richteten die Drei an alle EU-Regierungschefs, die Kommission und die irische EU-Ratspräsidentschaft.

Das Dreier-Treffen diente formal der Vorbereitung des EU-Frühjahrsgipfels im März. Während Schröder von einem „nützlichen Format“ und Chirac von einem „ganz normalen Treffen“ sprach, übte Rom heftige Kritik. Ministerpräsident Silvio Berlusconi bezeichnete die Dreier-Runde als inakzeptables „Direktorium“. Schröder versicherte: „Wir wollen niemanden dominieren.“ Chirac sagte: „Ich verstehe diese Kritik überhaupt nicht.“ Blair riet den anderen EU-Staaten: „Es sollte keine Empfindlichkeiten geben.“ Dagegen warnten die Union und die FDP vor Irritationen in der EU und einer neuen Achsenbildung innerhalb Europas. Peter Hintze (CDU) sprach von einer „Politik der Polarisierung“.

Am Abend sprachen die Regierungschefs und Außenminister über die blockierte EU-Verfassung, den Etat der Europäischen Union, die Struktur der künftigen EU-Kommission und Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft. Weitere Themen waren die Lage in Nahost und im Nachkriegs-Irak sowie Europas China-Politik.

Der neue Vize-Kommissionspräsident soll Industrie, Wettbewerb, Binnenmarkt, Umwelt und Forschung koordinieren. In deutschen Regierungskreisen hieß es, es spreche nichts dafür, Kommissar Günter Verheugen (SPD) zu ersetzen. Künftig stellt jedes EU-Land nur noch einen Kommissar.

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