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Kanzler Sebastian Kurz.

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Dritter Lockdown nach Weihnachten: Österreich bekommt die Krise nicht in den Griff

Trotz wochenlanger Einschränkungen ist die Sieben-Tage-Inzidenz in Österreich höher als in Deutschland. Das Vertrauen in die Politik sinkt.

Nicht einmal zwei Wochen nach dem zweiten harten Lockdown fährt Österreich nun schon zum dritten Mal das gesellschaftliche Leben weitgehend herunter. Das ist das Ergebnis eines Treffens zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den zuständigen Ministern und den Bundesländern am Freitag.

Nach den Weihnachtsfeiertagen soll bis 17. Januar der Handel schließen und die Gastronomie weiterhin geschlossen bleiben. In den Schulen gilt Fernunterricht, für die Bevölkerung Ausgangsbeschränkungen. Die Lage in den Spitälern ist immer noch angespannt, zu groß ist das Risiko, dass die Zahlen nach den Feiertagen wieder stark ansteigen.

Ziel sei es, mit dem neuerlichen Lockdown die 7-Tage-Inzidenz unter 100 zu drücken, erklärte Kurz. Ein Streitpunkt war bis zuletzt, ob die Skilifte ab Weihnachten öffnen dürfen. Die Bundesländer sollen darüber nun eigenständig entscheiden.

Im Januar, bevor wieder gelockert wird, sollen flächendeckend Antigen-Schnelltests durchgeführt werden. Wer nicht mitmacht, muss eine Woche länger zu Hause bleiben.

Wer ein negatives Testergebnis hat, kann hingegen wieder Handel und Gastronomie nutzen. Bereits im Dezember rief Kanzler Kurz zu einer ersten Runde solcher Massentests auf. Die Beteiligung blieb gering: Nur 22,6 Prozent statt der angestrebten 60 Prozent der Österreicher machten mit. Wohl mit ein Grund, warum man nun die Möglichkeit des „Freitestens“ aus dem Lockdown einführt.

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Seit Wochen sterben täglich durchschnittlich über hundert Menschen, die mit Corona infiziert waren. Die 7-Tage-Inzidenz ist trotz wochenlangen Lockdowns immer noch höher als in Deutschland (am Freitag betrug sie 198), umgelegt auf die Bevölkerungsgröße auch die Todeszahlen.

Ein menschenleerer Michaelerplatz in Wien.
Ein menschenleerer Michaelerplatz in Wien.

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„Ich bin nicht bereit, mich daran zu gewöhnen, dass wir dreistellige Todeszahlen haben. Das geht ganz einfach nicht“, erklärte der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober bereits am Donnerstag.

Die Einschränkungen von Mitte November bis Anfang Dezember erzielten nicht die erhoffte Wirkung. „Wir hatten im vergangenen Lockdown eine Abnahmerate der Corona-Fälle von durchschnittlich 27 Prozent pro Woche, in anderen Ländern wie in Israel betrug diese Zahl 50 Prozent“, sagte der österreichische Statistiker Erich Neuwirth. „Die Maßnahmen waren zwar hart, die Umsetzung aber vielleicht nicht.“

Die Bevölkerung scheint mittlerweile nicht mehr so starkes Vertrauen in die Politik zu haben. Im Frühjahr glaubten einer Studie der Universität Wien zufolge noch drei Viertel der Österreicher, dass die türkis-grüne Koalition gute Arbeit in der Pandemiebekämpfung leistet, kürzlich war es nur noch ein Drittel.

Appelle würden zunehmend verpuffen und die Bevölkerung nicht mehr erreichen, befürchten Experten. „Regierung und Politik haben ein massives Glaubwürdigkeitsproblem“, lautete das Fazit des Politologen und Kommunikationswissenschaftlers Peter Filzmaier im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

„Die nächsten Wochen werden entscheidend sein“

Filzmaier macht dafür auch einen „Zickzackkurs“ zwischen Pessimismus und Optimismus verantwortlich. Im Frühjahr, als Österreich mit niedrigen Zahlen gut durch die erste Welle kam, sprach Kanzler Kurz etwa von 100.000 Toten, die es in Österreich geben werde (aktuell liegt die Zahl bei über 5000).

Vor dem Sommer kam es dann zu großzügigen Lockerungen, bis hin zur weitgehenden Abschaffung der Maskenpflicht. Im Herbst folgten wieder mahnende Worte der Politik, mit denen man dann allerdings nicht mehr durchdringen konnte, so Filzmaier.
Auch zwischen Bund und Ländern kam es immer wieder zu Streitereien. Vor allem rund um die „Corona-Ampel“, die Einschränkungen und Maßnahmen regionalisieren sollte.

Die in Österreich politisch wichtige Kommunalwahl in Wien im Oktober, wo im Gegensatz zu zur Bundesebene die Sozialdemokraten regieren, führte zu zusätzlichen Spannungen. Innerhalb der Koalition auf Bundesebene funktioniert die Zusammenarbeit ebenfalls nicht immer reibungslos.

Bundeskanzler Kurz erklärte Anfang Dezember etwa, dass das Virus durch Reiserückkehrer und „insbesondere durch Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben“ wieder in das Land „hereingeschleppt“ wurde. Der grüne Koalitionspartner warf dem Regierungschef daraufhin mangelnde Sensibilität vor.

Auch die erste Runde der Massentests in diesem Monat, die Kurz im Fernsehen ankündigte, sorgte für Verstimmung, da dies ohne umfassende Absprache mit dem grünen Gesundheitsminister erfolgte.

„Die nächsten Wochen werden entscheidend sein“, ein Satz, der in Österreich in den vergangenen Monaten oft vonseiten der Politik fiel. Man wird ihn bis Januar wieder regelmäßig hören.

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