Politik: Duelle links und rechts
Frankreichs Sozialistenchef gewinnt den internen Machtkampf – bei den Konservativen ist Juppé zurück
Wohl noch nie haben vier Tage die politische Landschaft in Frankreich so verändert wie die seit dem vergangenen Sonntag. An diesem Tag wurde der Dauerrivale von Staatspräsident Jacques Chirac für die Präsidentschaftswahlen 2007, Ex-Superminister Nicolas Sarkozy, zum Chef der regierenden Mehrheitspartei UMP gekrönt. Kaum hatte der frühere Wirtschafts- und Finanzminister sein Amt Anfang der Woche niedergelegt und sich als der „neue Napoleon der alten Nation“ in der Parteizentrale eingerichtet, wurde sein Vorgänger und Erzfeind, der frühere Premier Alain Juppé, einer der getreuesten Weggefährten Chiracs, quasi rehabilitiert und könnte dem ehrgeizigen Sarkozy bei seinem Marsch Richtung Elysée-Palast gut und gerne einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Juppé war im Januar wegen einer parteiinternen Korruptionsaffäre zu 14 Monaten Gefängnis auf Bewährung sowie zehn Jahren politischen Mandatsverbots verurteilt worden. Als Parteichef trat er daraufhin zurück, legte Berufung ein und wurde am vergangenen Mittwoch von den Richtern „mehr als milde“, so die Kommentare in Frankreichs Presse, behandelt. Statt zehn Jahren Mandatsverbot muss sich Juppé nach dem endgültigen Gerichtsurteil nun nur ein Jahr politisch enthalten. „Ein kleines Jahr unbezahlten Urlaubs“, spotteten die linken Medien und sagen jetzt schon die „grandiose Wiederkehr des Vollblutpolitikers“ voraus, der Chirac als Kandidat 2007 weitaus lieber wäre als der Karrierist Sarkozy.
Als Bürgermeister von Bordeaux trat Juppé am Donnerstag ordnungsgemäß zurück. Genau ein Jahr hat er nun Zeit, die Fäden für seine politische Zukunft zu ziehen. Ab Dezember 2005 könnte Juppé sich nicht nur als Kandidat für 2007 vorbereiten, sondern sogar Jean-Pierre Raffarin als Regierungschef beerben, den Chirac wegen mancher Unstimmigkeiten im Kabinett lieber heute als morgen loswerden würde. Der Posten wäre ein ideales Sprungbrett für Juppé, falls Chirac, der dann fast 75 Jahre alt wäre, sich nicht doch entschließen sollte, ein drittes Mandat als Staatsoberhaupt anzustreben. Allerdings ist Juppé bei der großen Mehrheit der Franzosen eher unbeliebt.
Egal, wer der wirkliche Kandidat der Konservativen für 2007 sein wird, ein neues Kalkül kommt hinzu: Die größte Oppositionspartei, die Sozialisten, gaben am Tag des Juppé-Urteils ihr eigenes Spektakel. Gegen alle Voraussagen stimmten die Mitglieder der Parti Socialiste (PS) bei einer parteiinternen geheimen Befragung mit einer Mehrheit von 59 Prozent für die EU-Verfassung und hoben damit Parteichef Francois Hollande in den Stand des künftigen Herausforderers der Bürgerlichen bei den Präsidentschaftswahlen. Als unermüdlicher Werber für die EU-Konstitution hat er es geschafft, die Nummer zwei der Partei, den „Nein-Sager“ und ehemaligen Premierminister Laurent Fabius, weit abgeschlagen hinter sich zu lassen. Dieser hatte monatelang dafür plädiert, die Verfassung wegen mangelnder sozialer und steuerlicher Harmonisierung abzulehnen. Fabius politische Zukunft in der Partei dürfte damit nahezu beendet sein.
Sabine Heimgärtner[Paris]