
© imago/BildFunkMV
Will die CDU die Informationsfreiheit abschaffen?: Ein Hauch von Trump in der deutschen Politik
Offenbar denkt die Union daran, den Zugang zu Regierungsakten einzuschränken. Wer dabei mitmacht, beschädigt ein demokratisches Prinzip: Öffentlichkeit

Stand:
Aus den Koalitionsverhandlungen sticht ein Anliegen der Union hervor, über das man sich nur wundern kann. Wie es aussieht, wollen ihre Unterhändler das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) „in der bisherigen Form abschaffen“, so heißt es zumindest in einem Arbeitspapier. Das IFG regelt den Zugang zu Behördendokumenten, einschließlich denen der Regierung.
Das Vorhaben wird unter „Stärkung repräsentativer Demokratie“ rubriziert, womit das Projekt eine klare Botschaft sendet: Das Parlament soll die Regierung kontrollieren - eine Aufgabe für die Bevölkerung, die Bürgerinnen und Bürger, die Öffentlichkeit und namentlich die Medien ist das eher nicht.
Es reicht eben nicht, wenn nur das Parlament den Regierenden auf die Finger schaut. Auch dort gibt es Klüngel, stille Kooperationen oder Karriere- und Parteiinteressen, die Aufklärung behindern.
Jost Müller-Neuhof, Rechtspolitischer Korrespondent
Eine Idee, die Fragen zur Geisteshaltung ihrer Urheber aufwirft. Das Informationsfreiheitsrecht des Bundes kam vor rund 20 Jahren in die Welt, um ein gerade in Deutschland viel zu lange gepflegtes Behördenprinzip umzukehren: Geheimhaltung sollte fortan nicht mehr die Regel sein, sondern die begründungsbedürftige Ausnahme. Staatliche Akten, amtliche Informationen, sie stehen allen offen; formloser Antrag genügt.
Genutzt haben das Gesetz vor allem Journalisten, Bürgerinitiativen, Aktivisten oder Anwälte, aber den Nutzen haben alle. Skandale wurden aufgedeckt, Diskussionen in Gang gebracht, nur weil plötzlich Unterlagen sichtbar wurden, die vorher keiner kannte. Erinnert sei etwa an die Protokolle der Corona-Krisenstabssitzungen des Robert Koch-Instituts (RKI), die Debatte um das Verhalten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Atomausstieg oder die Masken-Deals des früheren Gesundheitsministers Spahn (CDU).
Es reicht eben nicht, wenn nur das Parlament den Regierenden auf die Finger schaut. Auch dort gibt es Klüngel, stille Kooperationen oder Karriere- und Parteiinteressen, die Aufklärung behindern. Kontrolle braucht eine breitere Öffentlichkeit, sie braucht die ganze Gesellschaft. Das IFG sollte deshalb nicht eingeschränkt, es sollte ausgebaut werden - ebenso wie die Informationsrechte für Medien.
Bekannt ist, dass Regierende genervt sind vom IFG. Es kostet Zeit, Geld und geht nicht selten auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit. Doch das Ansinnen, es zusammenzustreichen, ist in befremdlicher Weise rückwärtsgewandt, wenn nicht staatsautoritär; es atmet einen Hauch von Trumpismus in dem Wunsch, sich aus demokratischen Fesseln zu befreien.
Die Idee stammt aus einer Arbeitsgruppe, in welcher der Abgeordnete Philipp Amthor für die CDU die Verhandlungen führt. Amthor war in den Augustus-Intelligence-Skandal verwickelt, der auch dank IFG ans Licht kam. Anfragen des Tagesspiegels zum Unionsvorstoß lässt er bislang unbeantwortet. Aber das ändert nichts daran, dass er eine Erklärung schuldet.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: