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Sigo Lehming starb im Alter von 93 Jahren.

© privat / Aufnahme vom August 2020

Zum Tod des früheren Militärbischofs Sigo Lehming: Ein Hüter des Glaubens und Friedens

Die Erfahrung im Krieg prägte den Theologen Sigo Lehming. Es blieb seine Lebensaufgabe, dafür zu kämpfen, dass es nie mehr so weit kommt. Ein Nachruf.

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Er war eine der prägenden Figuren der evangelischen Kirche nach dem Krieg. Weil er jahrelang, im Grunde bis zuletzt, Debatten um Friedensethik bestritten hat. Bestritten wiederum ist ein gutes Wort, weil es die Auseinandersetzung um den richtigen Weg aus Sicht des Christenmenschen beinhaltet. Und die hat Sigo Lehming, einer der längstgedienten Militärbischöfe der Bundesrepublik, nie gescheut.

Was für ein Leben. Verbunden mit dem blanken Überleben des Entsetzlichen hat es ihn zum Geistlichen gemacht, zum Mann des Geistes, und zum Seelsorger. In Berlin geboren, der Vater war Oberingenieur, besuchte der junge Sigo die Volksschule - so nannte man das damals noch - in Reinickendorf, anschließend dort das Gymnasium.

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Nicht bis zum Abitur, denn dann holte ihn der Krieg von der Schule. Erst als Luftwaffenhelfer in Berlin, Brandenburg und Peenemünde, danach in der kurzfristig vor Kriegsende aufgestellten Division Scharnhorst, die als letzte Tat 3000 verwundete deutsche Soldaten aus sowjetischer Gefangenschaft in Beelitz-Heilstätten befreite. Am 2. Mai 1945 ging die Division bei Tangermünde amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Das Erlebte prägt nur den nicht, der sich nicht damit auseinandersetzt. Ein Kind seiner Zeit, gelangte Lehming nach der Entlassung in der Humboldt-Schule in Kiel 1946 zum Abitur und studierte anschließend evangelische Theologie und Philosophie an der Christian-Albrecht-Universität. Sein Fachgebiet: das Alte Testament. Lehming promovierte darüber und ließ sich davon leiten.

Vier Minister erlebte er als Militärbischof

Zum besseren Verständnis: Das Alte, das erste Testament umfasst mehr als den Spruch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Es lässt den Christen in Büchern wissen, wie Gott ist und wie er mit den Menschen handelt; und wie der Mensch ist, insbesondere nach dem Sündenfall. Dass Gott in die Geschichte lenkend eingegriffen hat; und mit den Menschen eine Geschichte und einen Weg begonnen hat, der sie zum Heil führen soll.

Nach seiner Zeit als Studiendirektor am Predigerseminar wollte Lehming in die Gemeinde, wurde Pastor in Quickborn, dann Propst in Pinneberg. Das blieb er bis zur Pensionierung 1993 - und wurde jahrelang zusätzlich Militärbischof. Lehming leitete 160 hauptamtliche und rund 60 nebenamtliche evangelische Geistliche für die Truppe. Das war 1972, der Minister hieß Helmut Schmidt.

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Die beiden passten zueinander, begegneten einander auf Augenhöhe. Beide kannten den Krieg. Streiten konnten sie, aber zivilisiert. Eine gute Vorbereitung auf das, was noch kommen sollte: die Diskussionen ums Existenzielle in und mit der Friedensbewegung. Sie waren ja maßgeblich auch verbunden mit den christlichen Gemeinschaften. Und Lehming als Militärbischof mittendrin: ein Prediger der Verantwortungsethik zur Verhütung von Krieg, ein Hüter des Glaubens als Grundlage für Frieden.

1985 schied er als Militärbischof aus, der Minister hieß Manfred Wörner. Es war sein vierter. In Pinneberg blieb Lehming Geistlicher, in vielem und vielen ein Vorbild. 65 Jahre war er verheiratet, Vater von vier Kindern, von denen eines, Malte, für den „Tagesspiegel“ schreibt. An diesem Mittwoch ist Sigo Lehming im Alter von 93 Jahren gestorben.

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