
© dpa/Carsten Koall
Ein paar Beschlüsse sind gelungen: Doch der richtige Großkonflikt steht der Koalition erst noch bevor
Wehrdienst, Haushalt, Energie, Steuern: Union und SPD haben einige Themen abgeräumt. Doch es fehlt ein Plan, den Renten-Konflikt zu entschärfen. Und der könnte gewaltig werden.
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In den Videoschalten am Morgen danach, mit denen die Union ihre Leute zum Koalitionsausschuss vom Vorabend ins Bild setzt, herrscht gute Stimmung. Klar ist nicht alles mit der SPD geklärt worden. Aber die Regierungs-Performance der vergangenen Tage wird positiv bewertet. Es ist halt alles relativ angesichts der vielen dunklen Momente von Schwarz-Rot, des teils massiven Missmanagements in den vergangenen Monaten.
Nun aber: Der Wehrdienst-Streit wurde wenige Stunden vor Beginn der koalitionären Spitzenrunde abgeräumt, der Etat 2026 parallel dazu in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses final beraten. Und in der abendlichen Sitzung selbst wurden Beschlüsse gefasst, ohne dass sich die Partner im Vorfeld darüber zerlegt hätten. Industriestrompreis und neue Gaskraftwerke, die kurz- und längerfristig der deutschen Wirtschaft eine günstigere und verlässlichere Energieversorgung garantieren sollen.
Für die Wirtschaft stellt man auch den Klimaschutz hinten an. Kanzleramtschef Thorsten Frei hat in einem längeren Prozess die SPD davon überzeugt, ihre eigene Politik von vor zwei Jahren zu korrigieren, als die Luftverkehrssteuer angehoben wurde. Nun werden die Airlines wieder um 350 Millionen Euro entlastet, Schwarz-Rot lobt sich dafür selbst.
Die Frage ist nur: Wie lange wird die Eintracht vorhalten, angesichts des Großkonflikts um die Rente, in dem Bundeskanzler Friedrich Merz und Fraktionschef Jens Spahn von jungen Rebellen in der eigenen Fraktion massiv unter Druck gesetzt werden?
Das doppelte Ja wirft Fragen auf
Und auch beim Streit ums Verbrenner-Aus, den man eigentlich abräumen wollte, ist man noch nicht einig. Und das obwohl, Merz in der Pressekonferenz nach dem ersten Teil des Koalitionsgipfels sogar ankündigte, bei beiden Themen – Rente und Verbrenner-Aus – werde es wohl Verständigungen geben.
Irritiert waren sie in der Union über diese Ankündigung des Kanzlers schon. Warum denn schon wieder unnötige Erwartungen wecken, statt einfach wie vereinbart früh mit konkreten Ergebnissen vor die Mikrofone zu treten, um im Anschluss in aller Ruhe den Rest miteinander diskutieren zu können.
Am Freitag wird die Lesart verbreitet, Merz haben den Einigungsdruck zur EU-Klimapolitik im Fahrzeugsektor erhöhen wollen. Der Kanzler braucht eine geeinte deutsche Regierungsposition, um in Brüssel das Verbrennerverbot ab dem Jahr 2035 aufweichen zu können. Bayerns Ministerpräsident, CSU-Chef Markus Söder mit dem Autobauer BMW vor der Haustür, will weitreichende Ausnahmen.
Der Kanzler ist sehr zuversichtlich, dass es beim Verbrenner wie bei der Rente in den kommenden Tagen und Wochen eine Lösung geben wird, weil sich die Positionen weiter angenähert haben.
Aus Regierungskreisen am Tag nach dem Koalitionsausschuss
Konfliktbereit ist er traditionell. Die Quintessenz eines kleinen Dialogs zwischen ihm und SPD-Chefin Bärbel Bas während der Pressekonferenz lautete denn auch, man habe sich „heute noch nicht gestritten“.
Die große Frage ist: Wo steht Merz?
Doch auch am nächsten Morgen noch beteuern beide Seiten, man habe konstruktiv und in guter Atmosphäre miteinander gesprochen. „Der Kanzler ist sehr zuversichtlich“, hieß es am Freitag in Regierungskreisen, „dass es beim Verbrenner wie bei der Rente in den kommenden Tagen und Wochen eine Lösung geben wird, weil sich die Positionen weiter angenähert haben.“
Gerade bei der Rente wird das aber enorm schwierig. Die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten kritisiert schon seit Wochen einen Beschluss des Kabinetts, der Festlegungen über das Jahr 2031 hinaus trifft und zusätzliche Milliardenkosten im dreistelligen Bereich verursacht. Ob das im Koalitionsvertrag so vereinbart ist, da gehen die Meinungen auseinander.
Die Junge Gruppe ist in der Fraktion der Nukleus des Protests, dieser geht aber mittlerweile weit darüber hinaus. Viele Abgeordnete halten die 48-Prozent-Rentengarantie, so wie sie jetzt geplant ist, für langfristig nicht finanzierbar und auch ungerecht. Schon ist im Regierungsviertel die Rede von einem drohenden zweiten Fall Brosius-Gersdorf.
Die große Frage ist: Wo steht Merz? Kann sich die SPD darauf verlassen, dass er den Kabinettsbeschluss in den eigenen Reihen durchsetzt? Und selbst wenn er das will: Kann er das überhaupt schaffen? In den Reihen der Union gibt es unterschiedliche Aussagen darüber, ob die Unionsleute im Wissen um die Tragweite des Gesetzentwurfs ihre Hand dafür gehoben haben. Je nachdem glauben sie, dass Merz an einer Überarbeitung des Entwurfs gelegen ist – oder eben nicht.
In der SPD geben sie sich demonstrativ gelassen. Es liege an der Union, die eigenen Leute zu disziplinieren. Nicht unsere Baustelle, das ist die einhellige Botschaft. Doch wer weiß, wie lange das noch so bleibt, angesichts des immensen Drucks in der Unionsfraktion.
Die Junge Union empfängt am Wochenende im Europa-Park Rust alle Granden der Mutterparteien CDU und CSU. Was Merz in dieser Angelegenheit am Sonnabend auf diesem sogenannten Deutschlandtag des Parteinachwuchses sagen wird, hat deshalb auch politisch enorme Bedeutung. Es lief nun einige Tage gut. Aber das kann sich ganz schnell ändern.
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