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US-Soldaten bringen eine AGM 88 Harm an einer F-18 an. (Archivbild)

© picture-alliance / dpa | Philip_A._Mcdaniel

Rätsel um verheerenden Krim-Angriff: Eine neue Waffenkombination könnte Russland vor enorme Probleme stellen

Hat die Ukraine beim Angriff auf die Krim Boden-Boden-Raketen und Radarjäger eingesetzt? Wenn ja, könnte Russlands Luftverteidigung zusammenbrechen.

Noch immer ist unklar, wie genau es zu den Explosionen auf dem Militärstützpunkt Saki auf der russisch besetzten Krim kam. Zehn Kampfjets sollen zerstört worden sein, der britische Geheimdienst sieht die russische Luftwaffe deutlich geschwächt.

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Die Ukraine hält sich aus gutem Grund bedeckt. Denn Russlands Ungewissheit über den Hergang schätzen Militärexperten als nicht unerheblichen Vorteil ein.

Gleichzeitig erhärtet sich der Verdacht, es könnte sich aufgrund der Art der Explosionen um einen ukrainischen Angriff mit Boden-Boden-Raketen gehandelt haben. Bilder des unabhängigen Satellitenunternehmens Planet Labs zeigen drei nahezu identische Krater. Die Gebäude in Saki wurden zudem präzise getroffen.

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Da sich die Militärbasis gut 200 Kilometer von der Front entfernt befindet, drängt sich vor allem eine Frage auf: Welche Raketen könnte die Ukraine eingesetzt haben? Denn die Mehrfachraketenwerfer aus westlicher Produktion haben aktuell eine Maximalreichweite von 80 Kilometern.

Ein neues Waffensystem gerät in den Fokus

Bei der Suche nach den Möglichkeiten der Ukrainer, ein so weit entferntes Ziel anzugreifen, fiel der Blick der Experten schnell auf ein neues Waffensystem, das in der Ukraine entwickelt wird, aber bisher nicht zum Einsatz kam.

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Seit 2003 arbeitet Kiew an einem Abschusssystem für Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern; der neueste Typ der Waffe ist als Grom-2 bekannt. Das System soll ein Nachfolger für die noch aus der Sowjetzeit stammende Toschka U sein. Den Ukrainern kommt entgegen, dass das Land Jahrzehnte lang ein Zentrum der Raketenproduktion und der dazugehörigen Abschusssysteme war und über entsprechendes Know-How verfügt.

Bisher hieß es, dass Grom-2 frühestens 2022 einsatzbereit sein würde. Das würde also passen. Ein Prototyp wurde auch schon bei einer Militärparade in Kiew gezeigt. Aktuell soll allerdings nur den einen Prototypen mit zwei Raketen geben (Quelle hier). Der Flughafen auf der Krim wäre durchaus ein lohnendes Ziel für die Waffe gewesen.

Die "New York Times" zitierte am Dienstag einen anonymen ukrainischen Offiziellen, dem zufolge eine Waffe "aus exklusiv ukrainischer Fertigung" bei dem Angriff zum Einsatz gekommen sei.

US Anti-Radar-Raketen als Türöffner?

Effektiv zum Einsatz bringen lässt sich Grom-2 aber nur in Verbindung mit sogenannten Anti-Radar-Raketen – beispielsweise vom Typ AGM 88 Harm wie sie die USA erst kürzlich an die Ukraine geliefert haben. Sie nehmen die Signale gegnerischer Radare wahr und zerstören sie dann gezielt. Auch das Abschalten des Radars bringt nichts mehr, wenn die Rakete einmal das Ziel erfasst hat. Ohne ein Loch in der Luftabwehr würden die Grom-2-Raketen mit großer Wahrscheinlichkeit abgefangen werden.

Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist Munition auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt explodiert.
Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist Munition auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt explodiert.

© Uncredited/Anonymous/AP/dpa

Sollte es sich tatsächlich um einen ukrainischen Raketen-Angriff gehandelt haben, würden Anti-Radar-Raketen auch laut dem Militärexperten Gustav Gressel dabei eine zentrale Rolle spielen. Schon ihre bloße Präsenz könnte dafür gesorgt haben, dass Russland einen Großteil seiner Radarsysteme vor den Einschlägen auf der Krim möglicherweise „auf Standby geschaltet“ hatte, erklärte er im „ZDF“.

„Wenn nur eine Radaranlage aktiv ist, statt vier oder fünf, dann hängt es von diesem einen Radarbediener ab, ob er einen Raketenangriff erkennt oder nicht“. Gegenmaßnahmen einzuleiten, sei laut Gressel „eine Entscheidung von Sekunden“. Verpasse man diesen Moment, sei der Schaden natürlich enorm, zeichnet Gressel ein mögliches Angriffsszenario nach. Auch die Tatsache, dass Russland Radar-Attrappen aufstellt, deute darauf hin, dass es bei der Flugabwehr Probleme gebe.

Was aber wären die Folgen für den weiteren Kriegsverlauf? Sollte die Ukraine tatsächlich über Raketen mit deutlich höherer Reichweite verfügen, wären plötzlich auch Waffenlager, Bahnknotenpunkte und weitere Infrastrukturpunkte weit auf russischem Gebiet mögliche Angriffsziele. Allerdings bleibt die Frage, warum die Ukraine erst jetzt diese Waffe einsetzt. Lohnenswerte Ziele in weiter Entfernung gab es auch bisher schon.

Die russische Seite müsse sich nun Gedanken machen, wie sie ihre militärischen zentralen Punkte schützt, etwa durch Fliegerabwehrsysteme, erklärte Gressl dazu. Moskau könne auch die Logistik weiter dezentralisieren, große Lager auflösen, diese auf viele kleine verteilen, um sich weniger verwundbar zu machen. Dadurch würde sich die Versorgung der Truppen an der Front aber deutlich verlangsamen, beschreibt er das Dilemma.

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