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Politik: Elefanten auf dem Schwebebalken

Erstes Koalitionstreffen in diesem Jahr – Rot-Grün analysiert die Krise und debattiert ungelöste Streitthemen

Von

DIE KRISE DER SPD

Von Robert Birnbaum

und Cordula Eubel

Dass das erste Koalitionstreffen des Jahres an eine Elefantenherde erinnere, findet einer aus dem Kreis der Beteiligten, sei gar kein falsches Bild. Erstens der Größe wegen – je neun Sozialdemokraten und Grüne verzeichnet die Teilnehmerliste im Kanzleramt, fast das ganze Kabinett darunter von Wolfgang Clement (Wirtschaft) bis Brigitte Zypries (Justiz), alle drei Grünen-Minister sowieso. Zweitens aber stimmt das Bild, weil auch die Elefanten sich erst einmal neu orientieren müssen, wenn unter ihren Leittieren die Hierarchie neu austariert worden ist. „Wir wollen das mal beschnüffeln, wie der Franz und der Gerd sich da geben“, sagt ein Grüner.

Auf dem offiziellen Arbeitsplan stand dann aber doch weniger die Gruppendynamik. Es war eine „sehr aufs Arbeiten gerichtete, nüchterne Sitzung“, berichtet Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer im Anschluss an das knapp zweistündige Treffen. Auf der Tagesordnung standen eher unstrittige Themen: die Einführung einer Ausbildungsumlage, das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit sowie die Frage, wie das Verfassungsgerichtsurteil zur Sicherungsverwahrung in ein Gesetz gegossen wird. Schwierige Themen, wie die Frage, wie es bei Pflege und Rente weitergehen soll, sparte die Koalitionsrunde nach Angaben von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz und Grünen-Parteichef Bütikofer jedoch aus. Koalitionär schwierige, wie die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz oder den Emmissionshandel, und koalitionär extrem schwierige, wie der Export der Atomanlage Hanau nach China, spielten offenbar gar keine Rolle.

Dafür konkretisierten die Spitzenvertreter beider Parteien ihre Vorstellungen bei einer Frage, bei der sich SPD und Grüne im Kern einig sind – bloß nicht mit dem eigenen Wirtschaftsminister Clement: die Ausbildungsumlage. Anfang März wollen die Koalitionsfraktionen einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorlegen, denn schon in diesem Ausbildungsjahr soll die Umlage das erste Mal greifen können. Die Bundesregierung leistet den Parlamentariern dabei Formulierungshilfe für den Gesetzestext.

Die Grünen haben sich mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass Kleinbetriebe bis zu zehn Mitarbeitern komplett ausgenommen werden. Die SPD-Fachleute hatten die Grenze bei fünf Personen ziehen wollen. Einig sind sich SPD und Grüne darüber, dass freiwillige tarifvertragliche Lösungen Vorrang haben sollen. Finden Gewerkschaften und Arbeitgeber Vereinbarungen, um Lehrlingen einen Ausbildungsplatz zu verschaffen, würden diese Branchen nicht unter das Gesetz fallen. In den Koalitionsfraktionen hofft man, diese Lösung sei wirtschaftsfreundlich, sodass auch Clement damit leben könne. Der sicherte zumindest zu, er werde loyal an der Erarbeitung des Gesetzentwurfes mitarbeiten. Er habe aber auch betont, dass er die Umlage für den falschen Weg halte, berichteten Teilnehmer. Die Wirtschaft soll in den nächsten Wochen Gelegenheit erhalten, eigene Ideen einzubringen. Das bedeute aber nicht, dass es nicht ernst gemeint sei mit dem Gesetz, stellte Scholz klar. Unternehmen hätten eine „moralische Verpflichtung“ auszubilden, das könne nicht von der Konjunktur abhängig sein.

Auch bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit waren die Koalitionspartner bemüht, die Irritationen der vergangenen Wochen zu beseitigen. Nur die gewerbliche Schwarzarbeit soll durch intensivere Kontrollen stärker bekämpft werden. Wer im Haushalt jemanden schwarz beschäftigt, wird dagegen künftig nur eine Ordnungswidrigkeit begehen. „Ganz normale Nachbarschaftshilfe“, so SPD-General Scholz, solle gar nicht unter die Kategorien der Schwarzarbeit fallen.

Ein Erfolgserlebnis haben sich die Koalitionäre am Freitag im Bundestag beschert: Die Kanzlermehrheit steht. Die war nämlich nötig, um die Haushaltsgesetze gegen die Einwände des Bundesrats durchzubringen.

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