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Michael Hartmann bezichtigt nun Sebastian Edathy der Lüge: Elf Seiten Verteidigung

Im Untersuchungsausschuss hat Michael Hartmann beharrlich geschwiegen. Doch jetzt geht er über seinen Anwalt in die Offensive. In einem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, bezichtigt er Sebastian Edathy, in der Kinderporno-Affäre gelogen zu haben.

Michael Hartmann geht in die Offensive. Der in der Affäre um Sebastian Edathy unter Druck geratene SPD-Bundestagsabgeordnete verteidigt sich über seinen Anwalt gegen den Vorwurf, Edathy über laufende Kinderporno-Ermittlungen informiert zu haben. In einem elfseitigen Schreiben an die Staatsanwaltschaft Berlin, das auch dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zugegangen ist, erhebt der Anwalt schwere Vorwürfe gegen den Ausschuss und bezichtigt Edathy der Lüge.

In der Sache stehe fest, dass Edathy die Unwahrheit sage, heißt es in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Es gebe keine ernstzunehmenden Zeugen, die die Behauptungen Edathys bestätigten. Die Glaubwürdigkeit derjenigen, die vor dem Ausschuss ausgesagt und die Version Edathys gestützt haben, zieht der Anwalt in Zweifel, weil es ein „Näheverhältnis“ zu Edathy gebe. Möglicherweise hätten sie ihn „bewusst oder unbewusst“ schützen wollen. In Schwierigkeiten geriet Hartmann vor allem durch die Aussage seines ehemaligen Mitarbeiters Jensen vor dem Untersuchungsausschuss.

Dieser gab an, dass Hartmann ihn auf dem SPD-Parteitag am 15. November 2013 in Leipzig ebenfalls auf mögliche Ermittlungen gegen Edathy angesprochen habe, und zwar bevor Hartmann sich mit Edathy getroffen habe. Der Anwalt bestreitet diese Abfolge. „Wenn er das getan hat, dann jedenfalls nach dem Gespräch mit Edathy.“ Edathy gibt an, an jenem Parteitagsabend von Hartmann über mögliche Kinderporno-Ermittlungen informiert worden zu sein. Hartmann bestreitet dies.

Im Zentrum der Verteidigung durch Hartmanns Anwalt steht, dass sich Edathy selbst in Internet-Foren der pädophilen Szene informiert habe. So führt der Anwalt einige Foren auf, in denen über strafrechtliche Probleme für Kunden der kanadischen Film-Firma Azov, gesprochen wurde – und zwar schon weit vor November 2013, als Hartmann Edathy angeblich über mögliche Ermittlungen informiert haben soll. Edathy selbst hatte vor dem Untersuchungsausschuss zugegeben, im Netz recherchiert zu haben, nachdem es Medienberichte über Polizeiaktionen gegen eine kanadische Filmfirma gegeben hatte. Der Anwalt bezieht sich zudem auf zeitliche Abläufe, aus denen er rekonstruiert, dass sein Mandant nicht der Informant Edathys gewesen sein kann.

Eine Quelle in Niedersachsen

So habe Edathy seine Mitarbeiter Ende November über mögliche Ermittlungen gegen ihn eingeweiht. Dabei habe er ihnen auch gesagt, dass Hartmann seine Quelle sei und dessen Quelle wiederum der damalige Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke. Allerdings habe Edathy gesagt, erst im Dezember von Hartmann erfahren zu haben, dass dessen Informant Ziercke sein solle. „Danach steht fest: Edathy belügt seine Mitarbeiter.“ Gehe man davon aus, dass Edathy sein Wissen aus der Szene bezogen habe, sei dieses Verhalten plausibel. „Edathy verschleierte damit nicht nur, dass er auch illegales Material bezogen hat, was er bis heute bestreitet, sondern auch, dass er in der Szene unterwegs war.“

Der Anwalt geht aber davon aus, dass Edathy „wahrscheinlich eine weitere Quelle“ gehabt habe, die nur in Niedersachsen liegen könne. Dort hätten bereits vor Februar 2014, als durch die Hausdurchsuchung bei Edathy der ganze Fall publik wurde, 57 Personen Kenntnis von den Ermittlungen gehabt. Außerdem gebe es im Zusammenhang mit Edathys Information an seine Mitarbeiter weitere Ungereimtheiten. So habe Edathy seine Mitarbeiter am 25. November 2013 in „angefasster und emotional aufgewühlter“ Verfassung über mögliche Ermittlungen gegen ihn informiert, wie eben jene Mitarbeiter vor dem Untersuchungsausschuss angaben.

Attacke gegen Untersuchungsausschuss

Hartmann aber sendete in seinen SMS an Edathy zu dieser Zeit andere Signale. So habe er beispielsweise am 22. November an Sebastian Edathy geschrieben „Still ruht der See“. Tatsächlich entschieden sich die niedersächsischen Ermittlungsbehörden zu der Zeit, sich den Fall Edathy näher anzuschauen. Der Anwalt Hartmanns stellt die Frage: Wenn Hartmann wirklich Informationen gehabt haben soll, warum versucht er dann ausgerechnet zu jener Zeit, als es für Edathy wirklich eng wurde, Ängste zu zerstreuen?

Zudem habe Edathy, so der Anwalt, bereits im Januar begonnen, mögliche Spuren zu vernichten, lange bevor Hartmann ihm gesagt haben soll, dass es ernst werde. Auf den elf Seiten attackiert der Anwalt auch die Arbeit des Bundestags-Untersuchungsausschusses. Dieser habe Hartmann „bis weit fortgeschritten in die Nacht hinein“ befragt. „Einem Richter wären verbotene Vernehmungsmaßnahmen vorgeworfen worden“, so der Anwalt. Vor allem die Oppositionsabgeordneten hätten seinen Mandaten in der Befragung am 19. Dezember „regelrecht vorgeführt“.

Hartmann schweigt zu den Vorwürfen. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss hat er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht – unter Verweis auf Vorermittlungen, die gegen ihn wegen des Verdachts der Strafvereitelung laufen. Die Staatsanwaltschaft Berlin wiederum prüft, ob Hartmann bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 19. Dezember 2014 falsch ausgesagt hat. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte Hartmann aufgefordert, für Klarheit zu sorgen. Aus der Union gab es Rufe nach einem Mandatsverzicht von Hartmann. Aus der SPD ist aber zu hören, dass es derzeit keine Hinweise gebe, dass Hartmann auf sein Mandat verzichten wolle.

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