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Lars Klingbeil (SPD, l), Bundesminister der Finanzen, spricht mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) während der Sitzung des Bundestags. Thema ist die Rentenreform.

© dpa/Kay Nietfeld

Ende des schwarz-roten Renten-Dramas: Kein Anlass für Erleichterung

Die Kanzlermehrheit steht, das Rentenpaket ist verabschiedet. Alles gut also? Eher im Gegenteil. Eine Regierungsfähigkeit des schwarz-roten Bündnisses sieht anders aus.

Karin Christmann
Ein Kommentar von Karin Christmann

Stand:

Um 13:21 Uhr spricht Bundestags-Vizepräsident Bodo Ramelow die entscheidenden Worte: „Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.“ Sie ist da, die Kanzlermehrheit für das Rentenpaket. 316 Stimmen hätte Schwarz-Rot dafür gebraucht, 318 sind es geworden.

Die Spitzen der Koalition mögen erleichtert sein. Aber dafür gibt es keinen Anlass. Nach dem Renten-Beschluss bleibt das Land zurück mit einer Regierung, die zwar will, aber nicht kann.

Die Koalition hat in jüngster Zeit einige Projekte zustande bekommen. Doch wenn ein Regierungsbündnis im ersten Jahr seines Bestehens schon zum zweiten Mal am Rande des Bruchs steht, bleibt das Bild: Da wird am Ernst der Situation in Deutschland vorbeiregiert.

Nicht aus bösem Willen. Nicht, weil man nicht wüsste, wie schlecht die Lage ist. Sondern weil man es trotz aller Mühen nicht besser hinbekommt.

Im Kern liegt das daran, dass die fundamentalen Unterschiede in der politischen Weltanschauung nie konstruktiv ausdiskutiert wurden. Wenn dann Stümperei beim Handwerk, sprich grobe Management-Fehler dazukommen, führt das zu Krisen wie in den vergangenen Wochen.

Plötzlich war man vom eigenen Beschluss überrascht

Alles begann damit, dass man im Kanzleramt trotz zahlreicher Warnmeldungen nicht wahrhaben wollte, wie ernst es den Rebellen ist. Das zeigt: Das Management-Problem dieses Regierungsbündnisses beginnt ganz oben, bei Kanzleramtschef Thorsten Frei – und bei dessen Chef, dem Kanzler.

Thorsten Frei (CDU), Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben.

© dpa/Elisa Schu

Friedrich Merz legte am Donnerstagabend, nach dramatischen, für viele quälenden Wochen, die Messlatte für die Renten-Abstimmung ohne Not noch einmal höher: Nicht die eigene Mehrheit müsse es sein, nein, die Kanzlermehrheit forderte Merz. Damit verschlechterte er die ohnehin unterirdische Stimmung in der eigenen Fraktion noch einmal massiv. Dort hätten sich die allermeisten gewünscht, der Kanzler würde es nun einfach mal gut sein lassen, wo doch schon die Rebellen erkennbar den Rückzug angetreten hatten. Führungsfähigkeit, ein Gefühl dafür, wie es in der eigenen Truppe aussieht und wie damit umzugehen ist, sähe anders aus.

Dreieinhalb Jahre hat die Koalition noch zu überstehen. Wie schwierig das wird, zeigen auch die Vorgänge rund um den Renten-Entschließungsantrag, aus dem am Ende nichts geworden ist. Dieses Papier war dazu gedacht, den Rebellen die Zustimmung zum Rentenpaket zu erleichtern. Schwarz und Rot wollten ihren gemeinsamen Willen zu grundsätzlichen Reformen im kommenden Jahr bekunden.

Man einigte sich also im Koalitionsausschuss mit großer Geste unter nächtlichem Ringen auf ein Papier. Danach nahm man in den Reihen der Unionsfraktion noch einmal die Lesebrillen zur Hand, schaute sich an, was man da eigentlich gemeinsam beschlossen hatte und stellte fest: Finden wir gar nicht so prima.

Konkret ging es um die Idee, zu überlegen, ob künftig auch auf Kapitalerträge Rentenbeiträge erhoben werden könnten. Das war nur einer von vielen, vielen Prüfaufträgen, ohne irgendeine inhaltliche Vorfestlegung.

Wenn es drauf ankommt, wird nicht sauber gearbeitet

Aber das Misstrauen gegenüber dem Koalitionspartner SPD ist bei der Union so groß, dass man diesen Punkt nicht einmal als Prüfauftrag verewigt haben wollte. Und das Management läuft so schlecht, dass das erst auffiel, nachdem das Papier längst beschlossen war.

Das klingt wie nur eine weitere von vielen kleinen Nickeligkeiten, mit denen man sich in der Koalition gegenseitig das Leben schwermacht. Aber es steht beispielhaft dafür, dass in diesem Regierungsbündnis viel zu oft dann, wenn es wirklich drauf ankommt, nicht sauber gearbeitet wird.

Schwarz und Rot gemeinsam, das könnte nur zum Erfolg werden, wenn jede Seite für denkbar hält, dass die andere auch einmal eine gute Idee haben könnte. Wenn man zusammen überlegen würde, was sich Neues gestalten lässt. Statt die jeweils eigenen Vorgärten zu bewirtschaften und dem Koalitionspartner millimetergenau vorzurechnen, welche Zugeständnisse man schon gemacht hat.

Bisher schafft Schwarz-Rot das nicht. Bei der Rente hat man sich irgendwie über die Ziellinie gerettet. Nun wird Geld ausgegeben, das längst nicht mehr da ist, damit jede Seite etwas vorzuweisen hat. Zukunftstauglich lässt sich das Land so nicht aufstellen.

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