FDP-Vize Zastrow über Gauck: "Er wird der Politik auf die Füße treten"
Die FDP hat am Sonntag die Entscheidung gesucht - und die Kanzlerin mit dem Votum für Gauck unter Druck gesetzt. Wir sprachen darüber mit dem stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Holger Zastrow.
Herr Zastrow, die FDP hat mit dem Vorpreschen zu Gunsten Gaucks hoch gepokert. Warum haben sich die Liberalen nicht an die Vereinbarung gehalten, vor den Gesprächen keine Namen zu nennen?
Viele Parteien, besonders die CDU, haben ja zuletzt einen ganzen Strauß von Namen präsentiert: Herr Huber, Herr Töpfer und andere. Und die haben uns einfach nicht überzeugt. Wenn man tagelang verhandelt, muss man endlich mal eine Entscheidung treffen. Und wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, macht man etwas falsch. Es gibt den Wunsch der ganz großen Mehrheit der Bevölkerung nach einem Bürgerpräsidenten. Dieser Kandidat spricht uns aus dem Herzen.
Hätte die FDP im Ernstfall tatsächlich die Koalition platzen lassen?
Wir nicht. Wir wollen diese Koalition, weil wir überzeugt sind, dass sie gut für Deutschland ist. Klar ist, dass man immer ein Amt verlieren kann, aber niemals seine Überzeugung. Und die Wahl des Bundespräsidenten steht weit über den tagespolitischen Entscheidungen. Das Amt ist durch die zwei Rücktritte erheblich beschädigt worden. Wir haben aus den Debatten der letzten Monate gelernt, vielleicht mehr als andere, schneller auch als die Union. Es ist ein Zeichen von Stärke, wenn sich die Politik auch korrigiert.
Aber haben Sie als FDP nicht zu einem Gesichtsverlust der Kanzlerin beigetragen?
Das glaube ich nicht. Dass sie mit ihrem Präsidentschaftskandidaten Christian Wulff keine Fortune hatte, konnte jeder sehen. Aber auch sie selbst konnte nicht ahnen, dass er mit solchen Vorwürfen aus seiner Zeit als Ministerpräsident konfrontiert werden würde. Politik muss auch die Situation richtig erkennen. 2010 haben die sächsischen Liberalen schon für Joachim Gauck gestimmt. Aber damals haben sich etliche Freidemokraten in die Koalitionsdisziplin einordnen lassen. Jetzt war es an der Zeit, dass wir als FDP gesagt haben: Es geht nicht um Machtpolitik. Wir brauchen einen Präsidenten, der unserem Land wieder einen Wertekompass gibt. Ich bin sehr glücklich, dass das klare Bekenntnis der FDP den Weg dafür freigemacht hat.
...auch wenn es der vormalige Kandidat von SPD und Grünen ist.
Ja. Mir ist es relativ egal, wer den Namen des Kandidaten zuerst genannt hat. Joachim Gauck ist der ideale Kandidat für ein liberal-konservatives Regierungsbündnis. Dass es einen breiten Konsens mit SPD und Grünen gibt – umso besser. Er hat seinen eigenen Kopf und wird der Politik auf die Füße treten – denen, die ihn vor zwei Jahren aufgestellt haben genauso wie der jetzigen Regierung.