Nordkorea: Ernährungslage immer dramatischer
Erstmals hat Nordkorea einen eklatanten Mangel an Getreide eingeräumt und die Uno um Hilfe gebeten. Nach Auskunft von Tony Banbury, der Asiendirektor des Welternährungsprogramms ist, sei die Situation "sehr ernst".
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Peking/Seoul - Die Lage von Millionen hungernder Menschen in Nordkorea hat sich nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) dramatisch verschlechtert. "Wir verlieren gerade den Kampf gegen den Hunger", sagte WFP-Asiendirektor Tony Banbury nach der Rückkehr von einem einwöchigen Nordkorea-Besuch. "Die Situation ist sehr ernst, die Menschen brauchen sofort unsere Hilfe." Die Regierung in Pjöngjang habe erstmals selbst eingeräumt, dass eine Million Tonnen Getreide fehlten. Die UN-Organisation sei ausdrücklich gebeten worden, ihr Hilfsprogramm auszuweiten.
"Wir sind so unterfinanziert, dass wir unsere Tätigkeiten zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausdehnen können", sagte Banbury. Wegen des Rückgangs der Spenden seit 2005 seien bereits laufende und geplante WFP-Projekte im Umfang von 102 Millionen US-Dollar nur zu 20 Prozent gedeckt. "Wir sind weit davon entfernt, den Nahrungsmittelbedarf der Schwächsten decken zu können." Momentan erreiche die Hungerhilfe nur 700.000 Menschen, also drei Prozent der Bevölkerung Nordkoreas.
Ein Drittel der Kinder chronisch unterernährt
Zwischen einem Drittel und der Hälfte der 23 Millionen Nordkoreaner muss nach WFP-Angaben täglich darum kämpfen, Essen auf den Tisch zu bringen. Besonders bedrohlich sei die Lage für Kinder und schwangere Frauen, die vitamin- und mineralstoffreiche Nahrung bräuchten. Ein Drittel der Kinder ist nach Erhebungen der UN-Organisation chronisch unterernährt. "Noch hat die Situation nicht das Ausmaß der Hungersnot Mitte der 90er Jahre erreicht, aber wir bewegen uns in die falsche Richtung und unsere Bemühungen werden zunichte gemacht", sagte Banbury.
Ursache für die Lebensmittelknappheit sei auch die fehlende Infrastruktur in der Landwirtschaft. Ein großer Teil der Ernte sei zusätzlich im vergangenen Sommer durch Überschwemmungen vernichtet worden, so dass sich Nordkorea auf eine Hungerperiode zu bewege.
"Wir unterstützen keine Regierung, sondern die Menschen"
Zum Tauziehen um den vereinbarten Abbau des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms sagte Banbury: "Politische Unstimmigkeiten sollten die Zivilbevölkerung nicht daran hindern, sich ausreichend ernähren zu können. Wir unterstützen keine Regierung, sondern die hungernden Menschen." Die Regierung in Pjöngjang habe sich während des Besuchs der WFP-Delegation in Nordkorea kooperativ gezeigt.
Nach der Wiederaufnahme von Düngemittel-Lieferungen an Nordkorea hat Südkorea auch wieder erste Hilfsgüter für nordkoreanische Überschwemmungsopfer an das Nachbarland geschickt. Am Mittwoch sei zunächst ein Schiff mit 60.000 Decken in Richtung Nordkorea ausgelaufen, teilte eine Sprecherin der Rot-Kreuzverbandes in Seoul mit. In den nächsten Wochen sollen außerdem 10.500 Tonnen Reis, Lastwagen, Zement und Baumaterialien geliefert werden.
Nordkorea hatte nach den Überschwemmungen im Juli Südkorea gebeten, Nahrungsmittel sowie Materialien zur Behebung der Unwetterschäden zu liefern. Die Soforthilfe hatte Südkorea jedoch nach dem nordkoreanischen Nuklearwaffentest im vergangenen Oktober ausgesetzt. Die Einigung bei den Sechs-Länder-Gesprächen über ein Ende des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms im Februar hatte auch wieder den Weg für die humanitäre Hilfe Südkoreas für das abgeschottete Nachbarland freigemacht. (tso/dpa)
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