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Ein Helfer läuft nach dem Brand durch eine Trümmerlandschaft

© REUTERS/Alkis Konstantinides

Großbrände in Griechenland: Erste Vorwürfe

Die Großbrände in der Nähe von Athen sind unter Kontrolle, doch die Zahl der Opfer steigt weiter. Nun werden erste Vorwürfe laut.

Ein Vater sucht seine kleinen Zwillingstöchter. Er sah sie in einem Video zusammengekauert in einem Boot sitzend, nach dem Feuer, das den kleinen griechischen Ferienort Mati verschlungen hat. Eine andere Familie gibt bekannt: Der Großvater und seine Enkelin sind gefunden und in Sicherheit. Zwei Tage nach der seit Jahrzehnten größten Brandkatatastrophe im Land suchen griechische Familien verzweifelt nach ihren Angehörigen.

Dutzende werden am Mittwoch noch vermisst. Ein Athener IT-Unternehmen hat eine Plattform im Internet eingerichtet und sammelt diese Hilferufe ebenso wie erleichterte Meldungen über wiedergefundene Angehörige, die Freunde und Bekannte beruhigen.

Einsatzkräfte befürchten mehr als 100 Tote

Feuerwehrleute und Helfer gehen immer noch von Haus zu Haus in Mati, Nea Voutsas und in Teilen der Hafenstadt Rafina, 25 Kilometer östlich von Athen. Sie finden Leichen, aber auch eine verletzte alte Frau, die überlebt hat. Die Zahl der Opfer klettert im Lauf des Tages auf 79, aber sie wird nicht an diesem Punkt stehen bleiben, so fürchten die Einsatzkräfte. Es könnten am Ende über 100 Tote werden, weit mehr noch als bei den großen Bränden auf dem Peleponnes im Jahr 2007.

Regierungsbeamte protokollieren die Schäden an Häusern und Fabriken. In Mati stehen ohnehin nur noch Grundmauern. 4500 Hektar Fläche sind verbrannt. Bagger räumen Hunderte von Autowracks aus der Siedlung. Die Reifen sind weggeschmolzen, die Scheiben zerplatzt. Experten schätzen die Hitze des Feuersturms, der durch den kleinen Ferienort fegte, auf zum Teil über 600 Grad. Wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, darüber wird nun diskutiert. Erste Vorwürfe werden verhalten laut. Die Feuerwehr sei zu spät zur Stelle gewesen und hätte zu langsam reagiert, heißt es.

Opfer von schweren Waldbränden seit 2000 in Europa. / AFP / AFP AND jgd
Opfer von schweren Waldbränden seit 2000 in Europa. / AFP / AFP AND jgd

© AFP

Regierung kürzte staatliche Mittel für Feuerwehr radikal zusammen

Die Armee sei wiederum schnell aktiviert worden, doch die Kommandokette mit der Feuerwehr habe nicht funktioniert. Auch die radikalen Einsparungen, die Griechenlands Kreditgeber dem Staat in den vergangenen Jahren abverlangten, kommen nun in den Blick. Im Jahr 2014 hatte der Bürgerschutzminister der damals konservativ geführten griechischen Regierung das Personal der staatlichen Feuerwehr um 30 Prozent gekürzt. Klagen über mangelhafte Schutzkleidung, nicht funktionierende Atemgeräte und alte Fahrzeuge gab es immer wieder. Ebenso Straßendemonstrationen wegen der Kürzungen bei Gehalt und Pensionen.

Feuerwehrmänner versuchen ein Feuer in dem Dorf Kineta nahe Athen zu löschen
Feuerwehrmänner versuchen ein Feuer in dem Dorf Kineta nahe Athen zu löschen

© AFP / Valerie Gache

Am Montag aber kämpfte die griechische Feuerwehr außerhalb von Athen gleich mit drei großen Waldbränden. Hunderte von Feuerwehrleuten waren im Einsatz, staatlich bezahlte ebenso wie freiwillige. Dutzende von Löschflugzeugen wurden aufgeboten. Doch starke Winde an den Berghängen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 Kilometer in der Stunde machten die Feuer zu einer rasenden Walze.

Feuer traf Urlauber und Anwohner vollkommen unvorbereitet

Entscheidend sei, wie frühzeitig das Feuer bekämpft werde, betonte ein griechischer Universitätsprofessor, der auf Katastrophenschutz spezialisiert ist. Kostas Sylolakis wies aber vor allem auf die Mängel bei der Evakuierung der Bevölkerung im Brandfall vor. Es gebe keinen Plan, kein System, das Bewohner in einem akut bedrohten Gebiet vor einem heranrollenden Feuer warnte, schrieb der Professor in einem Zeitungsbeitrag.

Tatsächlich schien das Großfeuer die Urlauber und Anwohner in Mati ebenso wie im Ferienort Kineta, westlich von Athen, völlig unvorbereitet getroffen zu haben. In Mati versuchten die Menschen mit ihren Autos zu flüchten, viele Fahrzeuge verkeilten sich aber in der Panik auf den schmalen Straßen aus dem Ferienort. Efthimios Lekkas, der Direktor der Hellenischen Geologischen Gesellschaft, machte am Mittwoch die Stadtplaner in der Region verantwortlich: „Es gab keine Fluchtwege, es gab keine Kreuzungen, es gab nur Straßen, die zur Falle wurden.“

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