zum Hauptinhalt
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stehen vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Erster nationaler Veteranentag : Braucht es den Gedenktag für Soldaten?

An diesem Sonntag findet der bundesweit erste nationale Veteranentag statt. Er soll Dank und Anerkennung für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zum Ausdruck bringen. Doch was kann ein solcher Tag bewirken?

Von
  • Sara Nanni
  • Sönke Neitzel
  • Margot Käßmann

Stand:

Mit großer Mehrheit hatte der Bundestag im vergangenen Jahr die Einführung eines Veteranentags am 15. Juni beschlossen. An diesem Tag sollen Soldatinnen und Soldaten geehrt werden und Aufmerksamkeit geschaffen werden für die Leistung von Veteraninnen und Veteranen für Frieden, Freiheit und Demokratie. Insgesamt sind 130 Veranstaltungen in ganz Deutschland dazu geplant. Doch was kann ein solcher Tag bewirken? Und ist er wirklich notwendig? Drei Expertinnen und Experten antworten.

Weitere Folgen unseres Formats 3 auf 1 lesen Sie hier


Ergebnis jahrelangen Engagements der Betroffenen

Wer schaut noch hin, wenn es um das unbequeme, scharfe Ende deutscher Außenpolitik geht? Wenn die großen politischen Reden zum (Un-)sinn deutscher Auslandseinsätze gehalten sind und Veteran:innen alleine sind mit ihren Erinnerungen?

Darum geht es im Kern am Veteranentag. Er ist in erster Linie das Ergebnis jahrelangen Engagements der Betroffenen selber. Vier Fraktionen haben 2024 endlich nicht mehr darum gerungen, ob es so einen Tag der Anerkennung geben soll, sondern in welchem Kontext und mit welchem Ziel er stattfindet. Und in diesem Jahr begehen wir ihn das erste Mal in Deutschland. Ja, es wird eine historische Sache sein, wenn hoffentlich an vielen Orten in der ganzen Republik hingeschaut und zugehört wird.

Doch dabei darf es nicht bleiben. Die Politik hat weiterhin eine Menge Hausaufgaben im Bereich der praktischen Anerkennung. Zu lange müssen Einsatzgeschädigte auf Hilfe warten und sich erklären. Ein echtes Umdenken hat der Beschluss leider noch nicht hervorgebracht. Aber ein neues Kapitel wird er sicher aufschlagen. Für die Betroffenen selber und allen in Gesellschaft und Politik, die sich der Sache der Veteran:innen annehmen.


Berührungsängste abbauen

Der Veteranentag ist eine Folge des Afghanistaneinsatzes. Viele ehemalige Einsatzsoldaten fühlten sich zu wenig wertgeschätzt und alleingelassen, etwa bei der Bewältigung der psychischen Folgen ihres Dienstes. Als Bewegung-von-unten gründeten sich in der Zeit der ISAF-Mission etliche Veteranenvereine als Selbsthilfenetzwerke. Es ist hohe Zeit, dass nun der Staat ein weithin sichtbares Zeichen der Anerkennung setzt. Es kommt allerdings einem kleinen Wunder gleich, dass der anfangs beachtliche Widerstand im Bundestag gegen den Veteranentag überwunden werden konnte.

Der Tag bietet die Möglichkeit, dass im ganzen Land Politik, Gesellschaft, ehemalige und aktive Soldaten ins Gespräch kommen. Er wird dabei helfen, auf allen Seiten Berührungsängste abzubauen und die andere Seite ein Stück besser zu verstehen. Dies ist aber auch eine gute Gelegenheit für die Vertreter der Verfassungsorgane, das eigene Gewissen zu prüfen. Sie sollten sich angesichts der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen fragen, ob sie jenen Männern und Frauen gerecht werden, die geschworen haben, das Recht und die Freiheit der Republik tapfer zu verteidigen.


Ein Veteranentag passt ins Bild der schleichenden Militarisierung

Als Jugendliche habe ich im Posaunenchor am Grabmal für die gefallenen Soldaten mitgespielt: „Ich hatt´ einen Kameraden“. Heldengedenktag wurde der Tag noch immer genannt, obwohl es seit 1945 Volkstrauertag sein sollte, an dem alle Opfer der Kriege zum Frieden mahnen. Seit wann reden wir überhaupt von „Veteranen“? Ein Tag, der sie besonders ehren soll, passt schlicht ins Bild der schleichenden Militarisierung.

Wieder ist von „Tapferkeit“ die Rede, von „Heldenmut“. Nicht Abrüstung, sondern Abschreckung ist das verkündete Ziel, koste es was es wolle. Die Bundeswehr soll ungehinderten Zugang zu Schulen und Hochschulen erhalten, um für den Dienst in der Armee zu werben. Doch Schulen haben den Auftrag, zum Frieden zu erziehen!

Eine Gesellschaft muss nicht kriegstüchtig sein, sondern sollte friedensfähig werden. Wenn wir unsere zerrissene, belastete Gesellschaft stärken wollen, könnten wir einen Tag schaffen, an dem all derer gedacht wird, die täglich in Schulen, Kitas, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern haupt- und ehrenamtlich ihren Dienst leisten. Wer mag, kann gern Soldat oder Soldatin sein. Einen „Veteranentag“ aber braucht es nicht. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })