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„Etwas enttäuscht von Schwarz-Rot“: DIHK-Präsident Adrian zweifelt an Erfolg der Rentenkommission
Wie soll es weitergehen mit der Alterssicherung? Eine Expertengruppe wird dafür Vorschläge ausarbeiten. Der Chef der Industrie- und Handelskammer glaubt nicht, dass die Koalition diese auch umsetzt.
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Die Bundesregierung aus Union und SPD unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat Reformen der Sozialsysteme angekündigt. Nach wochenlangem Streit einigte sich Schwarz-Rot auf erste Teile eines Rentenpakets. Kurz vor Weihnachten brachte die Koalition auch noch eine Kommission für die Alterssicherung auf den Weg. Deren 13 Mitglieder aus mehreren Generationen sollen sich bis Sommer 2026 überlegen, wie die Rente in Zukunft aussehen soll.
Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, bezweifelt, dass die Einsetzung der Expertengruppe tatsächlich zu einer grundlegenden Reform der Altersversorgung führen wird. „Ich habe eher die Sorge, dass eine Kommission auch ein Verschiebebahnhof sein kann“, sagte Adrian der „Welt am Sonntag“.
Die ökonomischen Fakten lägen auf dem Tisch, die Experten seien sich weitgehend einig. „Man weiß, an welchen Stellschrauben man drehen könnte. Dass eine Kommission wirklich grundlegend neue Erkenntnisse bringt, wage ich zu bezweifeln“, sagte Adrian. Es werde vor allem darauf ankommen, ob die Bundesregierung bereit sein werde, die Empfehlungen der Kommission auch umzusetzen. „Das war zumindest in der Vergangenheit leider häufig nicht der Fall.“
Wir sind bereits mitten in einem Verteilungskampf. Wenn wir den stoppen wollen, müssen wir an die Strukturen ran.
Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)
Reformen der Sozialversicherungen seien aber angesichts der hohen Lohnkosten dringend erforderlich. Die Sozialversicherungsbeiträge machten inzwischen mehr als 40 Prozent der Lohnaufwendungen aus. Man müsse daher in den Sozialversicherungen über „faire Eigenbeteiligungen“ reden. „Wir sind bereits mitten in einem Verteilungskampf. Wenn wir den stoppen wollen, müssen wir an die Strukturen ran“, sagte Adrian.
Er sei „schon etwas enttäuscht von der schwarz-roten Regierung“, sagte der DIHK-Chef weiter. „Wir hatten erwartet, dass die Bundesregierung sehr schnell mit grundlegenden Reformen startet. Im Koalitionsvertrag stehen ja auch viele Dinge: Bürokratierückbau, Senkung der Unternehmenssteuern, Entlastung bei der Stromsteuer für alle – vieles davon ist nicht gekommen oder zumindest nicht so, dass es die Unternehmen jetzt schon spüren.“
Arbeitgeberpräsident fordert „großen Wurf“
Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verlangt von der Bundesregierung im kommenden Jahr tiefgreifende Reformen. „Deutschland braucht einen großen Wurf – sonst droht eine Dauerkrise“, sagte Dulger der Deutschen Presse-Agentur. „Wir stecken in der längsten Krise seit Gründung der Bundesrepublik.“
Nach zwei Rezessionsjahren in Folge wird für 2025 allenfalls ein Mini-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Auch für das kommende Jahr rechnen Ökonomen nicht mit einem spürbaren Aufschwung. Der langjährige Wirtschaftsweise Lars Feld geht davon aus, dass sich die wirtschaftliche Flaute im kommenden Jahr fortsetzen wird. „Derzeit ist kein Ende in Sicht. Wir haben in Deutschland eine Krise der Industrie“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.
„Die Industrieproduktion geht seit 2018 zurück, jetzt hat sich die Dynamik beschleunigt. Im Jahr 2025 sind voraussichtlich 150.000 Arbeitsplätze über alle Industriezweige hinweg verloren gegangen.“ Das sei „schon eine Hausnummer“, sagte er. „Und es werden wohl noch mehr werden, weil sich freigesetzte Arbeitnehmer noch in Transfergesellschaften befinden.“ Für Arbeitslose in Deutschland ist es im Moment so schwierig wie lange nicht, wieder einen Job zu finden.
Steinbrück gehen Abgesänge „auf den Keks“
Zwar habe die deutsche Volkswirtschaft noch eine „gute Substanz“. Die Unternehmen müssten jedoch entlastet werden. Felds Vorschlag: „tiefgreifende Reformen im Sozialbereich“. Dadurch würde Arbeit in Deutschland billiger. „Dann gäbe es wieder Investitionen und die Unternehmen würden die Entlassungen stoppen.“
Außerdem kritisierte er die „Regulierungsintensität“, also überbordende Bürokratie, und die hohen Energiekosten. „Hier hat die Koalition mit der Senkung der Netzentgelte etwas bewirkt, die Senkung der Stromsteuer für alle bleibt aber aus.“ Von Merz forderte er mehr Mut, Reformen gegen Kritiker in der eigenen Koalition durchzusetzen.
Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück kritisierte die Lust daran, den Standort Deutschland schlechtzureden. „Die Abgesänge gehen mir auf den Keks. Wenn ich einzelne Unternehmer höre, die laut übers Auswandern reden, dann frage ich mich immer, wohin denn?“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Es gebe in Deutschland nach wie vor eine hohe industrielle und technologische Kompetenz, gut ausgebildete Fachkräfte und eine vielfältige Forschungslandschaft. (lem)
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