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Gipfel in Brüssel: EU-Chefs beschließen Schuldenbremse für fast ganz Europa

Der EU-Gipfel hat sich auf einen Fiskalpakt geeinigt, der Schuldenbremsen und automatische Sanktionen gegen Defizitsünder vorschreibt. Nur Großbritannien und überraschend Tschechien wollen sich heraushalten.

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25 der 27 EU-Staaten haben sich am Montagabend eine besonders strenge Haushaltsdisziplin verordnet: Sie wollen sich am sogenannten Fiskalpakt beteiligen, der sie vertraglich zu Ausgabengrenzen verpflichtet. Nur Großbritannien und überraschend Tschechien erklärten sich beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel dazu nicht bereit. Nach Angaben des schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt sagte Tschechien wegen Vorbehalten im Prager Parlament seine Teilnahme ab. Die Unterzeichnerstaaten haben ein Jahr Zeit, um das Abkommen zu ratifizieren.

Kanzlerin Angela Merkel betonte, dass es damit „in jedem Land eine Schuldenbremse geben wird“. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich in dem Papier, diese Haushaltsregel in den Verfassungsrang zu heben oder auf einer vergleichbaren Ebene einzuführen, so dass sie bindend werden. Das Ziel ist ein fast ausgeglichener Etat. Das sogenannte strukturelle Defizit – bereinigt um konjunkturelle oder einmalige Effekte wie Privatisierungserlöse – darf demnach nicht höher als 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung sein. Dieser Wert ist nicht ganz so streng wie der im deutschen Recht bereits verankerte. In der Bundesrepublik dürfen es vom Jahr 2016 an maximal 0,35 Prozent sein.

Liegt der Gesamtschuldenstand eines Landes unter den maximal erlaubten 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, darf die jährliche Neuverschuldung ein Prozent betragen. Ist das Defizit höher, greifen automatisch jene Sanktionen, die die EU-Kommission vorschlägt. Nur wenn in der Finanzministerrunde eine qualifizierte Mehrheit von knapp drei Vierteln zustande kommt, können Strafzahlungen verhindert werden. Den Zeitpunkt dafür, bis wann die Staaten quasi ohne neue Schulden auskommen müssen, setzt die EU-Kommission fest.

Die Staats- und Regierungschefs billigten zuvor den künftigen dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde Euro-Länder ESM. Dieser soll ein Jahr früher als geplant am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Das beschloss der EU-Gipfel am Montagabend in Brüssel, wie Diplomaten berichteten. Damit bestätigten die Staats- und Regierungschefs eine frühere Entscheidung der Finanzminister.

Der ESM soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Dadurch können Schuldensünder günstiger an Geld kommen, als wenn sie selbst Summen am Markt aufnehmen würden.

Ob das Volumen für Notkredite ausreicht, soll der nächste EU-Gipfel im März überprüfen. In der Debatte ist eine Verdoppelung des neuen ESM-Fonds auf eine Billion Euro. Dies hatte unter anderem Italien gefordert. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine Lagarde, verlangt mehr Einsatz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Aufstockung aber derzeit ab.

Der ESM wird den jetzigen Euro-Rettungsschirm EFSF ablösen. Anders als sein Vorgänger verfügt der Krisenfonds über Barkapital von 80 Milliarden Euro - dadurch ist er krisenresistenter und unabhängiger von Ratings. Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte dem EFSF jüngst die Bestnote bei der Kreditwürdigkeit entzogen, wodurch sich die Kreditaufnahme verteuern könnte.

In Deutschland hatte am Montag der Alleingang des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beim Thema Finanztransaktionssteuer die Diskussion in Deutschland neu entfacht. Während die SPD den Druck auf die schwarz-gelbe Bundesregierung erhöhte, dem Beispiel Frankreichs zu folgen und eine Steuer in Deutschland ebenfalls einzuführen, lehnte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das ab.

Sarkozy hatte in einem Fernsehinterview für August eine Finanztransaktionssteuer in seinem Land angekündigt. Die Abgabe in Höhe von 0,1 Prozent des Finanzgeschäfts soll jährlich bis zu eine Milliarde Euro in die Staatskasse fließen lassen. Die Steuer soll auf alle Geschäfte mit Wertpapieren französischer Emittenten erhoben werden, unabhängig davon, wo Käufer oder Verkäufer sitzen, und nur vom Käufer verlangt werden.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, seine Partei habe die Positionsänderung Sarkozys „mit Freude zur Kenntnis genommen“. Verglichen mit dem EU-Vorschlag habe dieser Weg bessere Chancen, für alle EU-Länder akzeptabel zu sein, auch für Großbritannien. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte in München dagegen, die Finanztransaktionssteuer solle „notfalls innerhalb der Euro-Zone“ eingeführt werden. Widerstand gegen die Steuereinführung nur in der Euro-Zone äußerte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mit Blick auf den Börsenplatz Frankfurt am Main.

(mit dapd/dpa)

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