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Extremistische Anti-Israel-Bewegung: Verfassungsschutz beobachtet BDS schon seit Jahren
Entgegen vielen Medienberichten hat das Kölner Bundesamt die Boykott-Bewegung längst im Visier und hat dies frühzeitig öffentlich gemacht – nur hat bisher kaum jemand etwas davon wissen wollen.
Stand:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln ist Medienberichten entgegengetreten, wonach es die israelkritische BDS-Bewegung erst mit dem aktuellen Verfassungsschutzbericht öffentlich als extremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Auf Anfrage des Tagesspiegels erklärte das BfV, es habe die Bewegung erstmals bereits im „Lagebild Antisemitismus 2020/21“ als Verdachtsfall erwähnt. Das BfV hatte das „Lagebild“ eigenen Angaben zufolge im April 2022 auf der BfV-Webseite veröffentlicht.
Wann genau das Bundesamt die Einstufung vorgenommen hat, wird nicht beantwortet. „Das BfV gibt grundsätzlich keine Auskunft zu internen Arbeitsabläufen“, heißt es. Da das Amt laut Gesetz nur bei „Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“ für extremistische Bestrebungen tätig werden darf, erscheint möglich, dass es die BDS-Kampagne sogar schon vor 2020 beobachtet hat.
Gegen Verdachtsfälle sind nachrichtendienstliche Mittel zulässig
Mit der Einstufung als Verdachtsfall darf das BfV nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. So kann die Behörde etwa V-Leute anwerben, um BDS-Aktivisten auszuforschen, oder sie observieren lassen.
Das BDS-Kürzel (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) steht für einen internationalen Zusammenschluss anti-israelischer Aktivisten, die eine wirtschaftliche, kulturelle, diplomatische und politische Isolation des Staates propagieren. Ziel ist, die angebliche „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ zu beenden.
Der Verfassungsschutzbericht des Bundes stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar.
Bundesamt für Verfassungsschutz zum Fehlen des BDS im Berichtsjahr 2022
Im „Lagebild“ wird BDS als „Verdachtsfall im BfV“ und „Beispiel von Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus“ geführt. Dabei nimmt die Behörde auch Bezug auf den Bundestagsbeschluss von 2019, der auf einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen zustande kam. Der Bundestag hatte damals unter anderem festgestellt, die „Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung seien antisemitisch“.
Öffentliche Reaktionen auf die BfV-Einstufung im „Lagebild“ gab es damals, anders als jetzt, wenige – obwohl der BDS-Aktivismus in der Folgezeit gerade im Zusammenhang mit Kulturveranstaltungen und Kulturförderung hochumstritten war und es immer noch ist. Der Tagesspiegel hatte über das Vorliegen des amtlichen Extremismus-Verdachts damals berichtet.
Im aktuellen Verfassungsschutzbericht wird der Vortrag aus dem „Lagebild“ im Kapitel „Auslandsbezogener Extremismus“ nun teilweise wiederholt und vertieft. Nach dem Bundestagsbeschluss stellte das BfV demnach zunächst ein „deutlich vorsichtigeres Vorgehen führender BDS-Akteure hinsichtlich extremistischer Äußerungen“ fest.
Im Zuge der Terrorangriffe der Hamas auf Israel hätten sich BDS-nahe Gruppierungen dann vielfach an israelfeindlichen Versammlungen beteiligt und Forderungen nach dem Ende einer behaupteten „israelischen Apartheid“ intensiviert. Auf den BDS-„Verdachtsfall“ hatte das BfV zudem kurz nach den Hamas-Angriffen hingewiesen.
Trotz Publikation des Verdachtsfalls im „Lagebericht“ im Frühjahr 2022 fand BDS allerdings keinen Eingang in den Verfassungsschutzbericht für dasselbe Jahr. Das BfV erklärt dazu, der Jahresbericht stelle „keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar“. Er unterrichte nur über die „wesentlichen zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen und deren Bewertung“.
Anlass für die Verwirrung könnte das BfV selbst gegeben haben: In einem Kurzbericht zum Jahresbericht 2023 war davon die Rede, BDS sei „erstmals in diesem Format“ als extremistischer Verdachtsfall benannt worden.
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