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Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, lag mit seiner Rechtsansicht daneben

© Federico Gambarini/dpa

Falsche Transparenz-Vorstellung: Spahn verschleppte die Aufklärung der CDU-Maskenaffäre – rechtlich wohl unzulässig

In der CDU-Maskenaffäre verzögerte der Minister wochenlang die Herausgabe von Namen. Ein Grundsatzurteil zeigt: Er missachtete die Rechte von Journalisten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit seiner wochenlangen Befragungsrunde bei Abgeordneten im März und April offenbar die Aufklärung der CDU-Maskenaffäre in rechtlich unzulässiger Weise verschleppt. Das geht indirekt aus einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Pressefreiheit vom Juli nach einer Klage des Tagesspiegels hervor. Jetzt hat das Gericht die schriftlichen Urteilsgründe übersandt. (Az.: 6 A 10.20).

Die Abgeordneten sollten ihre Meinung dazu sagen

Wie berichtet, hatte Spahn nach Bekanntwerden von Nebengeschäften Abgeordneter mit Covid-Schutzausrüstung Anfragen aus Presse und Parlament bekommen, Namen von Parlamentariern offen zu legen, die mit Geschäftsanliegen an sein Ministerium herangetreten waren. Statt darüber zu entscheiden, ließ der Minister ein schriftliches Anhörungsverfahren durchführen, in dem die Betroffenen ihre Meinung kundtun sollten.

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Spahn nannte dies „Transparenz in einem geordneten Verfahren“. Rechte und Interessen der Abgeordneten müssten auf diese Weise berücksichtigt werden, bevor der Öffentlichkeit eine Auskunft erteilt werde, hieß es.

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Damit lag der Minister offenkundig daneben und hat wohl das Fragerecht der Journalisten missachtet. Im Leitsatz des jetzt vorliegenden Urteilstextes heißt es, der „verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse“ gebiete es Bundesbehörden nicht, „vor Erteilung oder Ablehnung einer Auskunft die Betroffenen (...) anzuhören oder um deren Einwilligung in die Auskunftserteilung nachzusuchen“. Vielmehr berge die dadurch bedingte Verzögerung „die Gefahr in sich, dass die Presse ihren Informations- und Kontrollauftrag mangels Aktualität im Zeitpunkt der Informationserteilung nicht mehr erfüllen kann“. Das Bundesgesundheitsministerium ließ Anfragen dazu – wie häufiger – unbeantwortet.

Im Verfahren ging es um Medienarbeit des BND

Der vom Gericht entschiedene Fall hat mit der Spahn-Anhörung zwar direkt nichts zu tun, es ging in dem Verfahren um die Medienarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der Tagesspiegel hatte in dem Verfahren aber das Gutachten des Augsburger Rechtswissenschaftlers Matthias Rossi vorgelegt, das Spahn beauftragt und auf das er sich berufen hatte.

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Rossi hielt in seinem Gutachten Anhörungsverfahren bei einer Betroffenheit Dritter generell für „unerlässlich“ und vertrat die These, dies sei in der Rechtsprechung bereits „klargestellt“. Die Klägerseite hatte daraufhin angeregt, die Rossi-Position mit Blick auf auf die Effektivität von Presse-Investigationen bei Behörden dringend zu revidieren.

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Tatsächlich hat das von Spahn bestellte Gutachten in der Regierung Kreise gezogen, bis ins Bundeskanzleramt. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fing an, nach Pressefragen Anhörungen durchzuführen. Dem erteilt das höchste Verwaltungsgericht nun eine Absage: Die Behörden müssen unabhängig davon nach eigener gründlicher Abwägung zügig entscheiden, ob sie im Einzelfall Informationen erteilen.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) Frank Überall nannte das Urteil „erfreulichen Klartext“. Er hoffe, der neue Bundestag bringe endlich ein Gesetz für Presseauskünfte auf den Weg

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