zum Hauptinhalt

Politik: FDP: Dreirad statt Tandem

Der Mann ist noch gar nicht in der Stuttgarter Liederhalle, da steht er schon im Mittelpunkt. Das liegt daran, dass Klaus Kinkel eine Stinkwut hat.

Von Robert Birnbaum

Der Mann ist noch gar nicht in der Stuttgarter Liederhalle, da steht er schon im Mittelpunkt. Das liegt daran, dass Klaus Kinkel eine Stinkwut hat. Bis zur letzten Sekunde hatte der Ex-Chef der Liberalen am Vortag von hier aus den FDP-Chef Wolfgang Gerhardt per Handy beschworen, hart zu bleiben. Gerhardt aber wurde weich. Der baden-württembergische Landeschef Walter Döring hatte nämlich auch angerufen und in aller Freundschaft gesagt: Wolfgang, mein Landesverband steht nicht voll zu dir. Da hat Gerhardt kapituliert, und jetzt wird Guido Westerwelle im Mai neuer FDP-Chef.

Schon schlimm genug für Kinkel. Aber gleich kommt auch noch der Möllemann hier zum Landesparteitag, der den Hals-über-Kopf-Führungswechsel mit herbeiintrigiert hat. "Herr Möllemann, geben Sie jetzt Ruhe, geben Sie jetzt Ruhe!" ruft, ja schreit Kinkel in den Saal. Der Saal tobt, soweit das ein Saal voller Schwaben eben kann. Die Stimmung ist mithin durchwachsen, als der Erwartete an Dörings Seite einzieht. Der Parteitag berät demonstrativ erst mal weiter über die Schulpolitik. Erst danach wird Möllemann aufgerufen zu einem Grußwort "von 15 Minuten Dauer".

Woran er sich natürlich nicht hält. 34 Minuten sind es am Schluss. Die braucht Möllemann für den Versuch, das Geschehen von gestern, soweit es ihn betrifft, ein bisschen ungeschehen zu machen. Gerhardt ist weg, als Fraktionschef aufs politische Altenteil verbannt; Generalsekretär Westerwelle wird Parteichef. Dies hat Möllemann immer gewollt. Dass die beiden am Donnerstag in Hamburg aber ein Tandem ausgerufen haben, passt ihm nicht. Möllemann will ein Dreirad, mindestens. Möllemann, und er sagt das auch, will seine Idee eines Kanzlerkandidaten durchboxen.

Darum ist für ihn die Abmachung von Hamburg nicht mehr als "ein guter erster Schritt zur Bildung eines Team 18 unter Einschluss eines Kanzlerkandidaten". Darum vermerkt er, ein Parteivorsitzender müsse zuvörderst nach innen integrieren - dass ihm nicht Westerwelle diese Show stiehlt! Und darum wirbt er mit allen Kräften für sein "Projekt 18" und dafür, dass der Kanzlerkandidat unverzichtbarer Bestandteil dieser Strategie sei. "Wir müssen in der ersten Liga gegen SPD und CDU spielen", nicht um den ersten Platz unter den Kleinen, denn: "Im Wettbewerb der Kleinen werden die Kleinen immer noch kleiner!" Und die Baden-Württemberger - die hätten ja allemal das Zeug, bei der Landtagswahl im März ein Ergebnis nahe 18 Prozent zu erreichen. Auch, weil das nicht ganz falsch ist, fällt der Beifall am Schluss sehr freundlich aus.

Was nicht heißt, dass alle für den FDP-"Kanzlerkandidaten" sind, noch weniger für einen namens Möllemann. Döring, der die Idee jüngst "hirnrissig" nannte, tut sich damit weiterhin "außerordentlich schwer". Das Projekt 18 findet Döring trotzdem in Ordnung. Schließlich hatte sogar Kinkel dem Vorhaben bescheinigen wollen, Möllemann habe es "aus der Witzsphäre in den Bereich ernsthafter Diskussion" getragen. Den Satz aus dem Manuskript hat er nicht gesagt, statt dessen "Ruhe im Karton" verlangt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false