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Politik: Fischers Schweigen, Schröders Schaden

DEUTSCHLAND, USA, IRAK

Von Robert von Rimscha

Katja Ebstein singt. Klaus Staeck zeichnet. Günter Grass dichtet. Alle drei gehören zu jenen friedliebenden Künstlern und Intellektuellen, die Gerhard Schröder vor seiner GoslarRede traf. Jener Rede, in der er sich, härter als im Bundestagswahlkampf, aus der Nato verabschiedete. Einst drohte „Irak“ zum Codewort für das Auseinanderdriften Europas und Amerikas zu werden. Dann machte Schröder „Goslar“ zum Synonym für Deutschlands Isolation. Des Kanzlers Nein macht es möglich, dass im Sicherheitsrat ein Duo Deutschland-Syrien gegen den Rest der Welt stimmt. Dann wären Rücktritte fällig. In Berlin.

Soweit die Lageskizze der Sackgasse. Wie man da wieder herauskommt? Durch Debatten, offenen Dialog, Tagungen wie jene in München? Joschka Fischer hat dort auf höchstem Niveau seine Irak-Fragen gestellt. Kein einziger seiner Einwände ist unberechtigt. Und doch waren es die Argumente von gestern, die Fischer vortrug. Einstimmig hat die Welt Saddam schwer wiegende Konsequenzen angedroht, wenn er nicht freiwillig und komplett abrüstet, wie er dies zigfach versprach. Hier stehen wir.

Und hierzu war das Wichtigste, was Fischer sagte, in Nebensätze verpackt. Dass Saddam wohl Massenvernichtungswaffen hat. Dass über Deutschlands Stimmverhalten in New York im Lichte der Entwicklung entschieden werde. Kassierte Fischer in München also Schröder in Goslar ein? Ein wenig. Eher aber signalisierte er, wie gern er es täte. Womit er nicht allein steht. Es fällt schon auf, wie viele Grüne vorsichtig mehr Flexibilität anmahnen. Dass der kleinere Koalitionspartner den Chef des größeren nicht pazifistisch, sondern realpolitisch angreifen würde – wer hätte das gedacht? Wer hätte sich vorstellen können, dass die Außenpolitik einmal zu einem Argument für Schwarz-Grün werden könnte?

Beim aktuellsten Streitpunkt, der Nato-Hilfe für die Türkei, war in München von Entspannung nichts zu spüren. Kein Wunder, dass Donald Rumsfeld hier die Generalabrechnung ansetzte: „Wo noch wird sich Deutschland entziehen?“ So klar Rumsfeld das Scheitern aller Containment-Strategien beschrieb, so deutlich wurde in der beileibe nicht nur amerikanischen Deutschland-Kritik doch auch, dass es nicht darum geht, für oder gegen Krieg zu sein. Es geht darum, die Binsenweisheit der Politik zu beherzigen, dass man Türen nicht zuschlägt, sich Optionen nicht verbaut. Auch in der Bundesregierung weiß man genau, dass nur jener Einfluss hat, der mitmacht. Nicht beim Krieg. Bei jenem Prozess, der in eine Entscheidung mündet. Denn richtig ist auch, dass der Krieg zwar wahrscheinlich ist, aber nicht sicher. Ein Coup gegen Saddam, der Gang ins Exil, die von Paris und Berlin erwogenen Blauhelme: All dies sind Möglichkeiten, deren Chancen größer wären, wenn der Ideengeber sich nicht so isoliert hätte. So aber sehen die Partner nur weitere Verzögerungen.

München zeigt, dass das Problem der deutschen Außenpolitik nicht Joschka Fischer heißt. Es heißt Gerhard Schröder. Selbst seine eigenen Berater in Kanzleramt und Denkfabriken muss man inzwischen vor Schröder in Schutz nehmen. Denen wären die absurden Wendungen der vergangenen Tage nicht eingefallen. War es nicht Deutschland, das stets eine zweite Resolution forderte? Jetzt wird eben diese abgelehnt, weil sie den Offenbarungseid mit sich brächte. Noch schlimmer als solche Mätzchen ist das unwürdige Spiel mit Patriots und Awacs. Da wird unter Aufbietung aller Kräfte hin- und hergeschoben, nur damit man nicht in die selbst gestellte Falle tappt, entweder den Wähler oder die Bündnispartner betrügen zu müssen.

Gerhard Schröders Außenpolitik des letzten halben Jahres hat Deutschland schwer geschadet. Er hat verjubelt, was in 50 Jahren aufgebaut wurde. Lässt sich das reparieren? Höchstens oberflächlich. In der Substanz gilt: unter diesem Kanzler kaum. Die Schuld von Ebstein, Staeck und Grass ist dies nicht.

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