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Politik: Frankreichs Schläfer

Dumm gelaufen für Frankreichs Regierung. Tagelang zitierte die hiesige Presse Namen aus einer höchst vertraulichen Liste des amerikanischen Geheimdienstes CIA an das Pariser Außenministerium.

Dumm gelaufen für Frankreichs Regierung. Tagelang zitierte die hiesige Presse Namen aus einer höchst vertraulichen Liste des amerikanischen Geheimdienstes CIA an das Pariser Außenministerium. Darauf befinden sich sieben Namen mutmaßlich französischer Taliban-Kämpfer, die mit 151 anderen Gefangenen auf der amerikanischen Militärbasis im kubanischen Guantanamo festgehalten werden. Erst nachdem eine in geheimer Mission nach Guantanamo gereiste Diplomaten-Delegation wieder in Paris eingetroffen war, gab die Regierung kleinlaut knappe Informationen preis: Unter den Gefangenen seien nur zwei Franzosen, die nicht auf der CIA-Liste vermerkt sind.

Von "nur" kann keine Rede sein. Auch Paris ist klar: Die CIA-Liste und die ersten Ermittlungsergebnisse der französischen Geheimdienstbehörden über das Terrornetz von Osama bin Laden in Frankreich werden der Regierung noch reichlich Kopfzerbrechen bereiten. Mehrere Ermittlergruppen sind damit beschäftigt, die Identität der mindestens sieben weiteren Gefangenen im Hochsicherheitstrakt Guantanamo zu überprüfen, die sich anhand ihrer Papiere als Franzosen ausweisen. Zu vermuten sei, so ein hoher Sicherheitsbeamter, dass sich etliche Taliban-Kämpfer anderer Nationalitäten mit gestohlenen oder gefälschten französischen Papieren versorgt hätten.

Fest steht bisher nur, dass die beiden in Guantanamo als Franzosen identifizierten Al Qaida-Kämpfer aus Lyon stammen. Der eine, Nizar Sassi, ein 23-Jähriger algerischer Abstammung, hat jahrelang im Lyonnaiser Vorort Vénissieux im Bürgermeisteramt gearbeitet. Die Recherchen im Fall von Nizar Sassi führten allerdings auch zu einem der wundesten Punkte Frankreichs: die über 5000 Moscheen im Land. Viele der islamischen Gebetsstätten stehen im Verdacht, radikale Ideen zu verbreiten.

Die Pariser Regierung ist in einer heiklen Situation. Die Spuren der Ermittler im Kampf gegen den internationalen Terrorismus führen immer wieder nach Frankreich. Ob Zacarias Moussaoui, von den Amerikanern als erster im Zusammenhang mit den 11. September-Attentaten angeklagt, Hervé Djamel Loiseau, der Pariser Taliban-Kämpfer, der mit fünf anderen Franzosen bei den Kämpfen in Afghanistan getötet wurde, Djamel Beghal, der im Verdacht steht, im Namen der Al Qaida ein Attentat gegen die US-Botschaft in Paris geplant zu haben oder der verhinderte "Schuhbomber" Richard Reid, der auf dem Flug von Paris nach Miami gestellt wurde und seine letzten Instruktionen in einem Internet-Café in der französischen Hauptstadt erhielt - die Spuren der Bin-Laden-Kämpfer führen von den trostlosen französischen Vororten über London nach Afghanistan. Beunruhigende Erkenntnis eines Ermittlers: "Hier tut sich ein gut organisiertes Schläfer-Netz auf, eine neue Generation von islamistischen Terroristen, die in Europa Fuß gefasst hat."

Das Gespräch führte Hans Monath

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